Macho und Nymphomanin, Lustgreis und Clownkapelle

Reinmar Wagner, Die Südostschweiz (09.04.2013)

Ledi Macbet Mzenskowo ujesda, 07.04.2013, Zürich

Andreas Homoki holte für Schostakowitschs «Lady Macbeth von Mzensk» die schrillen Farben auf die Zürcher Opernhausbühne. Die Premiere am Sonntag bewies zudem hohes musikalisches Niveau.

Hier sind alle zwar Gefangene, auch die Mächtigen und ihre Handlanger. Aber wenigstens haben sie ihren Spass dabei. So scheint es wenigstens, angesichts der permanent überdrehten Fun-Kultur, die uns an diesem seltsamen Ort, halb Wasserreservoir, halb Raumschiff, um die Ohren und Augen dröhnt.

Dabei gäbe es Grund zur Sorge: Immer wieder bewegen sich geheimnisvolle Maschinerien, bedrohlich und unvorhersehbar. Und wenn man zur einen Tür rausgeht, kommt man nur zur anderen wieder rein. Immerhin ist die Zirkuskapelle (die Banda, die sonst im Orchestergraben sitzt, darf in grotesken Clownkostümen auf die Bühne) in diesem Hamsterkäfig noch immer in bester Form. Und auch der Rest der Besatzung, der mindestens nach den Gewändern und Uniformen zu schliessen einem Inventar des real existiert gehabten Sozialismus entstammt, amüsiert sich bestens. Etwas anderes scheint es ohnehin hier nicht zu tun zu geben.

Knallbunt und überdreht

Schostakowitschs bekannteste Oper «Lady Macbeth von Mzensk» wird üblicherweise als möglichst naturalistisches Drama auf die Bühne gebracht: Gutshof, russische Provinz, primitive Männer, traditionelle Rollenbilder. Andreas Homoki geht in seiner zweiten Inszenierung als Zürcher Opernhausdirektor einen ganz anderen Weg. Fast scheint es – wenn wir nicht wüssten, dass Homoki schon zuvor mit ähnlichen Methoden gearbeitet hat – als hätte das Herbert- Fritsch-Theater, das er vor einem Monat mit «Tri Sestri» hier veranstaltete, auch auf ihn abgefärbt: Schrill, knallbunt, comic-haft überdreht und überzeichnet sind hier die Figuren in dieser spritzigen Arbeit Schostakowitschs, der letzten gut gelaunten bevor ihn der Bannfluch Stalins traf.

Das passt ausgezeichnet zur frech-ironischen Musiksprache, die in Homokis überdrehtem Gehampel ihr szenisch passendes Spiegelbild findet. Üblicherweise schleicht sich Ironie erst in der Szene auf dem Polizeiposten in die Inszenierungen, hier bleibt gerade sie blass.

Und am Ende gehts auch nicht mehr so richtig auf: Die deprimierende Atmosphäre auf dem Marsch der Verurteilten ins sibirische Straflager passt nicht mehr ins Comic-Format, obwohl auch sie holzschnittartig überzeichnet sind: Der untreue Macho Sergej hat schon wieder eine andere und demütigt Katja, indem er ihr die Wollstrümpfe für seine neue Flamme abluchst. Aber die Musik ist hier echt emotional – und Homoki vertraut ihr auch in diesen Szenen und hat die Grösse, sein Regiekonzept nicht darüber zu stellen.

So aber amüsieren wir uns während drei Vierteln des Stücks köstlich über schrille Figuren und turbulente Zikusparaden, über den besoffenen Popen und die erotische Akrobatik unseres Liebespaars, das nicht geizt mit expliziter Sex-Action. Von Brandon Jovanovich und vor allem Gun-Brit Barkmin ist das nicht nur hervorragend gespielt, sondern auch toll gesungen. Der amerikanische Tenor bewies eindrücklich das rundum gesunde Format seiner strahlenden Stimme, und die Sopranistin, die bei ihrer Salome in Zürich noch etwas blass gewirkt hatte, dreht mächtig auf und zeichnet die Katerina auch vokal mit viel Energie, Farben und Konturen, aber auch mit vielen nachdenklichen Zwischentönen in ihren Monologen.

Vielschichtige Interpretation

Kurt Rydl als ältlich-lüsterner Despot ist nicht weniger gut gezeichnet und passend besetzt, wenn auch stimmlich neben bärbeissigem Poltern nicht mehr viele Farben vorhanden sind, was hier aber natürlich bestens zur Figur passt. Einen beeindruckenden Auftritt hat Michael Laurenz in der Rolle des Trunkenbolds, der das ganze Verhängnis erst ins Rollen bringt.

Und die wichtigen Chöre sangen zwar nicht mit letzter Präzision und klanglicher Homognität, aber immer mal wieder mit schlicht beeindruckender Lautstärke. Die pflegte Teodor Currentzis, der junge griechische Dirigent, zwischendurch ebenfalls sehr gerne. Aber auch das Gegenteil war der Fall: zarteste Pianissimo-Linien und immer wieder ein sängerfreundliches Zurückfahren der Pegel. Sein Schostakowitsch wirkte dadurch beweglich, abwechslungsreich, vielschichtig, auch wenn die grellen Töne und brachialen Klänge eindeutig – und von Schostakowitsch auch so vorgesehen – im Vordergrund standen.