«Ende gut, alles gut» ist nicht David Böschs Sache

Reinmar Wagner, Die Südostschweiz (16.04.2013)

Idomeneo, Rè di Creta, 12.04.2013, Basel

Dem Happy End traute David Bösch bei Mozarts «Idomeneo» am Theater Basel nicht. Aber er hat starke Bilder für diesen Geniestreich gefunden, der dank der inspirierenden Leitung von Andrea Marcon zum Opern-Feuerwerk wurde.

Zwar ist – wie meistens in heutigen Aufführungen – das ausufernde Schlussballett, das den Konventionen des Münchner Hofs von 1780 entspricht, gestrichen. Aber man hätte auch den jubelnden Schlusschor streichen müssen. Denn der deutsche Schauspielregisseur David Bösch, der in München und Frankfurt in den letzten Jahren mit einigen Operninszenierungen für Aufsehen gesorgt hatte, traut dem Frieden nicht.

Zwar verkündet «La Voce» mit mächtiger Baritonstimme (Alexey Birkus) aus dem Unsichtbaren den Verzicht der Götter auf das Blutopfer. Aber das kretische Volk legt die blutigen Gewänder, die vom verheerenden Wüten des von Neptun gesandten Ungeheuers zeugen, nicht ab. Und zuerst Idomeneo, dann auch sein Sohn Idamante und die Prinzessinnen Ilia und Elettra sinken zu Füssen des gigantischen Kreuzes, das Bösch zur starken Chiffre für das Sohnes-Opfer ausbaute, aus nicht ganz erfindlichen Gründen tot zu Boden.

Farbige Filme füllen aus

Dass Böschs «Idomeneo» so dunkel und blutig enden würde, war nicht abzusehen. Eher verspielt begann er: Wie ein Bulldozer reisst zur Ouvertüre das Trojanische Pferd im kunstvoll pauvre montierten Trick- und Bastelfilm (Video: Falko Herold) die Troja-Sandburg nieder. Auch sonst füllen immer wieder Filme und Zeichnungen die Leerstellen szenisch wenig ergiebiger Da-capo-Arien. Und ein niedlicher Riesenkrake symbolisiert beim grossen Wiedersehensfest die Götterstatue Neptuns.

Mächtig, mit Blitz und Pauken-Donner sowie Windmaschine, fällt aber das Verhängnis über Kreta herein. Und auch da erfanden Bösch und seine Bühnenbauer Patrick Bannwart und Falko Herold mit rotierenden Vorhängen eine so einfache wie bildkräftige Chiffre für das wütende Ungeheuer.

Weniger stark war Böschs Personenführung. Wolfgang Amadeus Mozarts «Idomeneo» ist eine mit Elementen der französischen «Tragédie lyrique» durchsetzte Opera seria mit einigen Da-Capo-Arien, die manchmal klingen, als seien sie in der Barockzeit geschrieben worden. Eine realistische Theater-Handlung lässt sich darauf kaum aufbauen. Entsprechend hilflos standen die Figuren manchmal auf der Bühne, was Bösch durch seine Filme ausgleichen konnte. Aber wenn er – wie zum Beispiel in der Erkennungsszene zwischen Vater und Sohn – auf realistische Theater-Aktionen setzte, kamen ihm trotz Mozarts ausdrucksvollen Accompagnati die formalen Realitäten oft in die Quere.

Lebendige musikalische Symbiose

Einfallsreich, bewegend, bisweilen Funken sprühend genial ist Mozarts Musik in dieser für den Münchner Hof ambitiös komponierten Oper. Dass davon nicht das Geringste verloren ging, war das Verdienst von Andrea Marcon und seinem Basler Barockorchester «La Cetra», das fulminant aufzeigte, dass es auch in Mozarts überaus farbig eingesetzter Orchestersprache zu Hause ist. Die alten Instrumente und die in barocken Techniken und Klangfarben geschulten Spielweisen gingen mit individueller Klasse und der immer auf elastisch-natürliche Tempo- und Dynamik-Verläufe abzielenden Leitung Marcons eine mitreissend lebendige Symbiose ein. Sprechende Gestik prägte jedes Motiv: da wird selbst ein begleitender Achtelpuls mit musikalischem Inhalt aufgeladen.

Mit Kontrasten nicht sparen

Die Titelrolle ist selbst für gestandene Heldentenöre eine vokale Herausforderung. Abgesehen von seinem Kampf mit den Koloraturen nahm Steve Davislim diese Hürde aber bravourös. Nicht ganz glücklich war die Besetzung des Liebespaars: Solenn’ Lavanant-Linke als Idamante fehlten ein wenig die dunkleren Mezzo-Farben, die als Gegensatz zur Ilia von Laurence Guillod wünschbar gewesen wären. Aber beide Frauen wurden einer kontrastreichen und emotional berührenden Darstellung ihrer Figuren gerecht. Karl-Heinz Brandt schlug sich wacker als Arbace, und Simone Schneider als Elettra trumpfte kurz vor Schluss mit einer fulminanten Arie mit einem grandiosen Koloraturen-Feuerwerk auf.