Traue keinem Happy End, auch nicht bei einem Mozart

Tom Hellat, Tages-Anzeiger (16.04.2013)

Idomeneo, Rè di Creta, 12.04.2013, Basel

Am Schluss hilft nur der Griff zur Flasche. Während zweieinhalb Stunden taumelte Idomeneo traumatisiert durch ein trostloses, schwarzgruftiges Bühnengehäuse. Doch als ein Gott ihm doch noch die Bürde abnimmt, das eigene Kind zu töten, freut er sich nicht, sondern sinkt lallend zusammen. Regisseur David Bösch scheint dem Happy End nicht zu trauen. Auch was bei Mozart Erregung, Hysterie und Ekstase ist - immer auf den Goldgrund der Musik gemalt -, wird bei Bösch zur Welt- und Schreckenssuche, bei der jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wird. Selbst Begriffe wie «Vater» oder «Liebe» erscheinen zu gross für diese geschundenen, mit grossen Augen (durch wunderbar versponnene Videoprojektionen verstärkten) ins Leere schauenden Figuren. Dafür ist die Welt in den Köpfen umso überwältigender; vor allem durch die Musik.

Dirigent Andrea Marcon und sein La Cetra Barockorchester Basel fächern die Partitur in feinste Details auf: jene betörende Fagottmelodie, ein feines Piccolozirpen oder dieser Oboenschlenker - jede Stimme erzählt eine Geschichte. Die Dynamik ist konsequent entschlackt und das Volumen flexibel getunt. So müssen die Sänger nicht brüllen. Steve Davislim als Idomeneo tut es manchmal trotzdem. Er hat ein starkes, klares, vielleicht etwas zu monochrom gefärbtes Organ. Es kontrastiert jedoch gut den geschmeidigen Altus seines Sohnes (Solenn’ Lavanant-Linke). Und dessen liebliche Auserwählte Ilia (Laurence Guillod) ist optisch wie gesanglich das perfekte Gegenbild zu Simone Schneiders fleischig timbrierter, eifersuchtsgetriebener Elektra. Kurz: ein Ensemble, das den Ohren des Publikums verrät, worauf die Regie abzielt.