«Ariadne»: Viel zu lachen und zu schmunzeln in St. Gallen

Reinmar Wagner, Die Südostschweiz (06.05.2013)

Ariadne auf Naxos, 04.05.2013, St. Gallen

Die vielfältigen Herausforderungen von Richard Strauss’ Oper «Ariadne auf Naxos» hat das Theater St. Gallen am Samstag grösstenteils mit solidem Handwerk gemeistert – und bisweilen auch mit souveräner Meisterschaft.

Diesmal kriegt der Komponist schliesslich Zerbinetta, die nur vordergründig leichtlebige schöne junge Frau, die wie ein Schmetterling vom einen Mann zum anderen fliegt. Aus dem kurzen «Augenblick» des Vorspiels wird unter den Händen des Regisseurs Aron Stiehl in St. Gallen eine veritable Liebesgeschichte, die das verkünstelt-surreale Liebesdrama um Ariadne und Bacchus in den Hintergrund drängt.

Das hat ohnehin längst keinen mehr interessiert: Das gesamte Publikum ist abgerauscht und starrt in irgendeinen Fernseher. So aber werden bei Stiehl in diesen beiden Figuren das Heitere und das Ernste vereint, wie es Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss bei ihrer Gemeinschaftsproduktion aus den Jahren 1912 bis 1916 vorschwebte.

TV-Show kontra Opern-Parodie

Der «reiche Herr» in St. Gallen besitzt anscheinend auch eine Galerie in einem charmant hergerichteten ehemaligen Industriebau. In dieser «Art Gall» steigt seine Party, für die neben dem Diner punkt neun auch ein Feuerwerk vorgesehen ist, was es mit sich bringt, dass die bestellte Oper und der Theater-Schwank gleichzeitig gespielt werden müssen. Als Mischung aus «Schwanensee» und «Weissem Hai» bricht so die Komödiantentruppe Zerbinettas mit Gummikulissen und dem umwerfenden Charme billiger TV-Shows in die hehren Sphären heiliger Oper, die von Stiehl hier ihrerseits als Parodie auf abgehobene Opern-Körpersprachen à la Robert Wilson gezeichnet wird.

So gab es viel zu lachen und zu schmunzeln in dieser Inszenierung. Die Personenführung von Stiehl liess keine Wünsche offen, der hektische Realismus einer kurz bevorstehenden Show in dieser Galerie animierte den deutschen Regisseur zu einem wahren Feuerwerk an kleinen Gags. Überfordertes Personal, überkandideltes Publikum oder die Starallüren der Opern-Protagonisten, die mit den Toiletten als Garderoben vorlieb nehmen müssen, zeigte Stiehl im Vorspiel mit ebenso leichter Hand, wie er in den Liebes- und Todes-Visionen von Ariadne und Bacchus der Musik den Vortritt lassen konnte.

Souveräne Orchestrierungskunst

Richard Strauss reduzierte für diese Arbeit sein bis dahin riesiges Orchester auf eine Ensemble von Mozartscher Besetzung, angereichert allerdings mit exotischen Instrumenten wie Celesta, Harmonium oder Klavier. Aber die Handvoll Musiker entwickelten dank der souveränen Orchestrierungskunst jeweils eine ungeahnte Klangfülle, die mühelos gestandene Opernstimmen übertönte.

Am Pult stand der neue Chefdirigent des Orchesters, der Holländer Otto Tausk, der mit dieser «Ariadne» seine erste Visitenkarte in der Oper St. Gallen ablieferte. Man kann Strauss mit noch mehr Delikatesse und Geschmeidigkeit spielen, aber insgesamt gelang Tausk und dem Instrumentalensemble eine durchweg runde und solide Darstellung dieser Partitur mit schönem Klangfarbenreichtum und wacher dynamischer Ausgestaltung.

Ariadne strahlt in allen Lagen

Dass es für die Sänger dennoch manchmal zu laut wurde, war in der Regel deren Schuld. Vor allem der Amerikaner Arnold Rawls als Bacchus konnte sich nur mit forcierten und damit klangfarblich wenig schönen Tönen behaupten. Ariadne hingegen strahlte dank der deutschen Sopranistin Katrin Adel in allen Lagen und dynamischen Stufen, ausser vielleicht den extremen Höhen, mit geschmeidig gestalteten Linien, vollen Farben und einem wunderschön tragenden Piano. Nicht weniger souverän und mitreissend sang Lenneke Ruiten die Zerbinetta. Sowohl die koloraturengespickte Zirkusnummer wie die leise und zart intonierten Offenbarungen gegenüber dem Komponisten gelangen ihr sehr schön, während dieser mit Katja Starke zwar über stimmliche Durchschlagskraft verfügte, aber immer wieder mit der Intonation kämpfte und Spitzentöne unschön forcieren musste.