Von den Nöten der Götter mit der Höhe

Reinmar Wagner, Die Südostschweiz (22.04.2013)

Il ritorno d'Ulisse in patria, 19.04.2013, Luzern

Die frühbarocke Klangwelt von Monteverdis Opern ist für jedes Haus eine Herausforderung. Das Luzerner Theater nahm sie mit «Il ritorno d’Ulisse in patria» am Freitag mit Erfolg an. Regie führte der Hausherr Dominique Mentha.

Die griechische Misere hat offenbar auch Ithaka erreicht: Keine Touristen, der Strand ist verweist, der Sand blitzsauber, auf den Hochsitzen für die Bademeister sitzt keiner. Dafür hat sich Penelope ihr Zweier sofa an den Strand bringen lassen, sitzt immer schön rechts, den Platz neben ihr frei für den verschollenen Odysseus, schaut aufs Meer hinaus – und wartet.

Sand, viel Sand, die paar Möbel, ein paar Videoprojektionen und Unmengen von leeren Kartonschachteln: Viel mehr brauchen der Regisseur Dominique Mentha und der Bühnenbildner Werner Hutterli in ihrer Inszenierung von Claudio Monteverdis Oper «Il ritorno d’Ulisse in patria» nicht, um die Geschichte von der glücklichen Heimkehr des Odysseus im Luzerner Theater zu erzählen. Die Hochsitze aber eignen sich bestens für die olympischen Konferenzen, in denen die antiken Götter in bekannter Manier um Einfluss bei den Sterblichen rivalisieren. Wobei es nicht ganz einfach scheint, bei diesen Streitereien wach zu bleiben. Neptun versuchts mit Dehnungsübungen, Jupiter schnarcht ganz ein und muss von Juno resolut wachgerüttelt werden. Dafür hat sie ihre liebe Not mit den Höhen. Nicht beim Singen, keine Bange: Aber mit ihrem üppigen Reifrock auf dieses «Baywatch»-Gestell zu klettern wird zum Running Gag.

Farbige Witzfiguren

Der Respekt Menthas vor den Unsterblichen ist also eher gering. Und auch aus den Freiern, die Penelope bedrängen, macht der Regisseur farbige Witzfiguren, gekrönt im Schmarotzer Iro, der von Monteverdi die wunderschöne Persiflage eines Lamento geschenkt kriegt, was Robert Maszl und Mentha in diesem Auftritt leider ein bisschen gar stark überzeichnet haben. Sonst gelang es Men tha ohne viel Aufwand und Brimborium, den Figuren ihr passendes individuelles Profil zu geben.

Damit blieb viel Raum für die vielseitige und den vielen Charakteren auf den Leib geschnittene Musik Monteverdis. Achtbar schlug sich das Luzerner Sängerensemble, das praktisch vollzählig aufgeboten wurde für diese rollenreiche Oper. Dass es sich auf wenig vertrautem Terrain bewegte, war zwar allen bisweilen anzu hören. Aber die meistens von Erfolg gekrönten Bemühungen um stilgerechte Stimm- und Farbgebungen sowie Verzierungstechniken für diese frühbarocke Musiksprache trugen überall schöne Früchte, von Carolyn Dobbin als Penelope und Utku Kuzuluk als Ulisse über die virtuos Koloraturen-turnenden Götter und Allegorien bis zu den komischen Figuren der Schmarotzer und Freier an Penelopes Hof.

In pulsierender Bewegung

Wirklich höchste Barockkompetenz kam vom Ensemble, das aus Streichern des Luzerner Sinfonieorchesters und Continuo-Künstlern von der Basler Schola Cantorum zusammengesetzt war. Mit je zwei Cembali, Theorben und Barockgitarren sowie mit Orgel, Violone und Harfe bot der Dirigent Howard Arman alles auf, was barocke Continuo-Praxis hergibt, und setzte dieses Instrumentarium auch ausdrucks- und farbenstark ein. Trotz mehr als dreistündiger Aufführungsdauer schlich sich nie Langeweile ein. Arman hielt das musikalische Geschehen stets in pulsierender Bewegung und pflegte einen lebendigen Musiziergestus, der sich wiederum vorteilhaft auf die Sänger niederschlug.