Lisa Nolte, Tages-Anzeiger (22.04.2013)
«Die Wahrheit des leidenschaftlichen menschlichen Ausdrucks»: Nicht weniger gab Claudio Monteverdi in seiner Musik zu suchen an. Für heutige Ohren ist sein Ansatz nicht leicht nachvollziehbar, sind seine «Drammi per musica» doch grösstenteils rezitativisch, also erzählerisch, aufgebaut. Voraussetzung für die lebendige Aufführung eines Werks wie «Il ritorno d’Ulisse in patria» (1640) sind daher narrative Fantasie und - bei über dreistündiger Länge - Ausdauer.
Keine geringen Anforderungen für ein nicht eben in der Alten Musik beheimatetes Ensemble wie das des Luzerner Theaters, das die Oper des Italieners am Festival Odyssee Innerschweiz zur Premiere brachte. Das Geschehen um Odysseus und dessen in Trauer erstarrter Gattin Penelope siedeln Dominique Mentha (Regisseur und Theaterdirektor) und Werner Hutterli (Bühnenbild) in einem kalt-grauen Palast aus Sand an.
Von der Sofagarnitur aus regiert die zugeknöpfte Geschäftsfrau Penelope, der Carolyn Dobbin eine entsprechende Stimme und wenig spielerische Schlagkraft verleiht. Dem Charakter des lebenserfahrenen Ulisse wiederum steht kontradiktorisch die Jugendlichkeit von Utku Kuzuluks intonatorisch unbeständigem Tenor gegenüber. Dass die Stärke des Sängerensembles eher im Komischen liegt, demonstrierte etwa Robert Maszl, der als Iro die spielerischen wie gesanglichen Affekte seiner Schmarotzerrolle voll auskostete. Augen und Ohren öffnete mit Theorben, Barockgitarren, Violone und anderen Exotica die Schola Cantorum Basiliensis unter Howard Arman, der epochengemäss das Ensemble vom Cembalo aus leitete. Schade, dass man nicht auch in den Streichern die Renaissanceexperten einsetzte.