Sigfried Schibli, Basler Zeitung (23.04.2013)
Das Luzerner Theater punktet mit Monteverdis «Ulisse»-Oper
Es ist zum Heulen. Und es ist zum Lachen. Ulisse (Odysseus) kehrt nach über zwanzig Jahren zu Penelope nach Hause zurück. Was er in der langen Zeit erlebt hat, kann man bei Homer nachlesen. Claudio Monteverdi hat sich in seiner Oper «Il ritorno d’Ulisse in patria» von 1640 auf diese Rückkehr beschränkt und die ganze Vorgeschichte weggelassen.
Das Traurige daran ist, dass die treue Penelope fast verzweifelt und erst gar nicht glauben mag, dass er, der als Bettler verkleidet heimkehrt, wirklich Ulisse ist. Die schrille Komödie beginnt mit den Freiern, die um die immer noch begehrenswerte Frau herumtanzen, sie mit Geschenken überhäufen und mit Leistungen prahlen, die sie nicht wirklich erbringen können.
Der Luzerner Theaterdirektor Dominique Mentha hat als Regisseur beides, das Tragische und das Komische, herausgearbeitet und in eine perfekt ausbalancierte Form gebracht. Sein Bühnenbildner Werner Hutterli beschränkt sich aufs Wesentliche: Sand für den Meeresstrand, ein Sofa für die wartende Penelope, vier Hochsitze für die Götter, die die Fäden ziehen.
Die Kostümbildnerin Anna Ardelius scheut keinen Aufwand und greift tief in die Kostümkiste. Bärtige Götterväter und lumpige Bettlerklamotten, poppige Freier-Outfits und damenhaftes Deuxpièces für Penelope, die als Einzige in dieser Barfussgesellschaft Schuhe trägt – alles ist da, nur keine stilistische Einheitlichkeit. Die würde schwerlich zu diesem auskomponierten Comicstrip aus dem 17. Jahrhundert passen.
Musikalisch ist die Luzerner Produktion eine schöne Überraschung. Auf der Bühne viel Opernsänger-Nachwuchs und kaum bekannte Sängernamen, dafür aber eine Spielfreude, die begeistert, und eine homogene Ensembleleistung, die beeindruckt.
Im Graben ein Mixtum
Die Mezzosopranistin Carolyn Dobbin singt die Penelope im Wartestand – würdig, ernst, verhalten. Das Strahlen bewahrt sie für den Schlussapplaus auf, der ihr reichlich zufliesst. Die Titelpartie des Ulisse ist bei Utku Kuzuluk in besten Händen. Sein baritonal gefärbter koloraturenfähiger Tenor hat keine Mühe, den Rang als Primo uomo zu behaupten. Viel zu loben geben die mittleren und kleineren Partien, etwa die wunderbar ammenhafte Amme von Marie-Luise Dressen, der kräftige Hirt von Todd Boyce, Carlo Jung-Heyk Cho als Obergott Giove wie als Freier Anfinomo sowie die Sopranistinnen Simone Stock und Dana Marbach in mehreren Partien.
Im Orchestergraben verblüfft ein Ensemble, kombiniert aus Kräften des Luzerner Sinfonieorchesters und der Basler Schola Cantorum. Das Klangbild ist auf Streich- und Zupfinstrumente sowie Cembalo fokussiert und damit eher schmal. Es fehlen die Bläser, die manchem Takt mehr Farbe verleihen würden. Doch ist es ein Qualitätsbeweis der von Howard Arman geleiteten Aufführung, dass die Konzentration über drei Stunden nie einbricht und das Ohr trotz den langen Rezitativen kaum ermüdet.