«Bang Bang»: Das Chanson zu Toscas Geschichte

Herbert Büttiker, Der Landbote (13.09.2013)

Tosca, 11.09.2013, Basel

Mit «Tosca» eröffnete das Theater Basel die Saison. Die Neugier der Theaterwelt galt Jette Steckels Opernregiedebüt, der Abend den Protagonisten.

Das Theater Basel ist die Opernbühne der Schauspielregisseure. Die 31-jährige Jette Steckel hat sich in wenigen Jahren mit Inszenierungen am Thalia-Theater in Hamburg und am Deutschen Theater Berlin einen Namen in der ersten Regiegarde geschaffen. In Basel hat sie jetzt ihre erste Oper inszeniert: Giacomo Puccinis «Tosca». Schauspielregisseure zeichnen sich dadurch aus (das gilt, wie das Interview in der Theaterzeitung zeigt, auch für Jette Steckel), dass sie sich über die Oper wundern: Ja war­um singen die eigentlich, statt zu reden?

Ist «Tosca» für die Untersuchung dieser Frage nicht eine gute Wahl? Hier hat man es mit einer Figur zu tun, die Sängerin ist und im zweiten Akt auch einen Auftritt als Sängerin hat – ironischerweise aber hinter, in Basel nun auf der Bühne. Andererseits erlebt diese Sängerin Dinge, bei denen jedem normalen Menschen das Singen vergeht: Sie ist bei der Folterung ihres Geliebten dabei, sie tötet den Polizeichef Scarpia, der sie zum Geschlechtsverkehr nötigt, sie begleitet die Exekution ihres Geliebten.

Starke Besetzung

Dass Gesang gerade in der bedrängtesten Si­tua­tion dem Schmerz, der Verzweiflung und sogar der Reflexion einen lyrischen Raum gibt, ist dann das Paradox der Oper und speziell der beiden berühmten Arien, Toscas «Vissi d’arte» im 2. Akt und Cavaradossis «E lucevan le stelle» – und alle ästhetischen Fragen erledigen sich da auch in der neuen Basler Inszenierung mit den beiden Protagonisten, die sie mit intensiver Strahlkraft grosser Stimmen gestalteten. Zu Recht wurden sie auch vom Publikum gefeiert: die innig-starke Sopranistin Svetlana Ignatovich und der fulminante Tenor Maxim Aksenov. Auch als Sänger im empathischen Sinn in den Kreis einer Italianità-Besetzung gehörte der Bariton Davide Damiani, der den Zynismus, die herrische Attitüde und den berechnenden Charme ohne vokale Grimassen zum Ausdruck brachte – die Basler «Tosca» unter der Leitung von Enrico Delamboye hat insgesamt keine Schwächen.

Nein, die Frage nach dem Singen wird von den Prot­ago­nis­ten beantwortet, und die Inszenierung ist durchaus dabei – mit genauen, da und dort auch gesuchten Ideen, mit einer expressiven Bühne (Florian Lösche), deren bewegliche Elemente in Verbindung mit Videoprojektionen bedrückende Räume und poetische Weite schaffen, sie ist bildstark und nur dort weniger überzeugend, wo sie die Kunstfragen akzentuieren möchte: mit der Rahmung (und auch einer Unterbrechung der Musik gleich zu Beginn), mit der die «Tosca»-Geschichte gleichsam zu einem erweiterten Song von Cher («Bang Bang») werden sollte, zu einem Theater im Theater, für das ein Mikrofonständer an der Rampe im Zen­trum steht.

Die grosse Geste

Bezwingender ist auch in der verschachtelten Inszenierung, was die Oper im Kern an Desillusionierung einer Kunst des Guten und Schönen und an Entlarvung der theatralischen Gebärde vorführt – zuletzt noch, wenn Tosca und Cavaradossi glauben, mit einer gespielten Exekution heil davonzukommen. Toscas berühmter Sprung von der Engelsburg, der hier nun durch ihr Wiedererscheinen als Chansonnière sozusagen aufgefangen wird, ist in veristischer Optik eindrücklicher: Da gelingt der Oper im Schrecken über ihre Verblendungen dann doch wieder die grosse Geste.