Tobias Gerosa, St. Galler Tagblatt (13.09.2013)
Die erste Premiere der neuen Saison am Theater Basel ist Puccinis «Tosca». Ein «Dream Team» und die Rezepte der Erfolgsjahre sollten dem Opernhaus eine Kehrtwende bringen. Sollten.
2009 und 2010 erhielt das Theater Basel als erstes Opernhaus der Schweiz überhaupt den Titel als Opernhaus des Jahres – und das gleich zweimal hintereinander. Seither gelang nicht mehr viel. Erfolg hatte die Oper am Theater Basel damit, dass junge und oder schon im Schauspiel erfolgreiche Regieteams die Oper mit frischem Blick betrachteten. Dazu kam ein sehr gutes Ensemble noch unbekannter Namen, die zusammen spannende Aufführungen entwickelten.
Szenisch engagiert
Svetlana Ignatovich hatte in Basel als Mimi, als Figaro-Gräfin oder Lisa (Pique Dame) geglänzt; jetzt singt sie die «Tosca» – und reizt mit dieser Rolle die Möglichkeiten aus, die ihre Stimme zurzeit hat. Ihren Liebhaber Cavaradossi hat das Theater Basel entsprechend mit Makim Askenov besetzt. Auch er war in Basel in mehreren Rollen besetzt (und 2011 in den St. Galler «Lombardi»), was zu einem Sprungbrett für seine Karriere wurde. Man hört sofort, warum, auch wenn man die Rolle mit mehr Differenzierung singen kann.
Diese beiden, auch szenisch engagierten Sängerdarsteller, zusammen mit einer hochgelobten Schauspielregisseurin wie der jungen Jette Steckel, vielbeschäftigt in Berlin und Hamburg: Die Saisoneröffnung versprach damit am Programm des an die Deutsche Oper Berlin abgeworbenen Operndirektors Dietmar Schwarz anzuknüpfen. Dessen Programm hatte Basel die grosse internationale Anerkennung gebracht.
Das ominöse Mikrophon
Doch schon der Anfang dieser «Tosca» irritierte: Eben war der geflohene Gefangene in der Kirche versteckt, da kommt entgegen der Partitur schon Tosca auf die Bühne. In leuchtendem Rot haucht sie mehr ins dort aufgebaute Mikrophon, als dass sie singt: «Bang bang – My Baby Shot Me Down», den alten Song von Cher und Sonny Bono. So passend er textlich sein mag: Er stört die perfekte Suspense-Dramaturgie empfindlich. Doch darum geht es Jette Steckel offenbar nicht. Sie lotst ihre Protagonisten immer wieder an dieses ominöse Mikrophon an die Rampe.
Wozu, erschliesst sich nur im Programmheft und dem Interview in der Theaterzeitung: Das Konzept sieht vor, die Geschichte als Konzert der Sängerin Tosca zu erzählen, die darin ihre eigene Geschichte erzählt. Zu sehen ist eher unfreiwillige Komik, gegen die Musik inszeniert (ohne damit einen produktiven Widerpart zu schaffen, den Enrico Delamboyes kraftarmes Dirigat durchaus brauchen könnte) oder schlicht Ungelenkes, wie vieles der Personenführung. Dafür fahren und drehen sich die acht grossen grauen Türme auf der Bühne fast konstant und Videos werden projiziert (Bühne: Florian Lösch).
Tosca stürzt sich am Schluss von der Engelsburg, nachdem sie den intriganten Geheimdienstchef Scarpia ermordete und Cavaradossi erschossen wurde. In Basel steht am Schluss neben der zerschmetterten Leiche immer noch die Sängerin am Mikrophon: Bang bang, eine Kopfgeburt hat Tosca niedergeschossen.