Silvia Rietz, Mittelland-Zeitung (03.11.2013)
Beschwingter und spritziger als «Die Fledermaus» kann Operette nicht sein. Musik, die verkündet, dass Junge und Junggebliebene gerne flirten, notfalls auch neben der Ehe. Zudem erfahren wir, dass die unangefochtene Autorität der Champagner sei. Und dies behauptet die Musik nicht nur, sie ist es auch: moussiert, perlt, erfrischt, prickelt und erotisiert. Musik und Handlung kommen bei Johann Strauss ironisch, frivol und sympathisch unzynisch daher. Singt die ertappte Rosalinde auf dem Schosse ihres Liebhabers: «Mein Herr, was dächten Sie von mir, säss’ ich mit einem Fremden hier . . .», nimmt sie das Operetten-Motto vorweg, moralische Standards hochzuhalten, ohne sie sklavisch zu befolgen. Schade, dass Paul Suter die doppelbödige «Fledermaus» als derbe Posse inszeniert, jede Szene mit Klamauk versieht. Doch was soll man von einer «Gesellschaft der Geprellten» (Zitat aus dem Programmheft) erwarten, die den Champagner in kurzen Hosen und aus der Flasche trinkt. Trostlos die Ausstattung von Elisa Alessi, wo die Damen die Hörner, die sie den Herren aufsetzen, symbolisch als Kopfschmuck tragen, während die «Böcke» an der Wand hängen und auf dem Parkett brünstig sind.
Dass sich hinter dem Prinzen Orlofsky nach Suters Lesart vom abgekarteten Rachespiel eine hübsche Schauspielerin versteckt und Rosalinde mit jedem anbändelt, sind hübsche Einfälle. Ebenso ein Alfred mit Callboy-Allüren. Doch nur die Hosen runterlassen reicht nicht aus, um einem geistvollen Modernisierungsanspruch gerecht zu werden. Ohne sich nach Nostalgieplüsch zu sehnen, wünscht man sich bei der Fledermaus, der Operette der Operetten, ein Quäntchen Charme und ein paar Walzerschritte. Ein weder utopischer noch reaktionärer Wunsch. Dem Zeitgeist zugewandte und entstaubte Inszenierungen, die den Zauber der Wiener Operette nicht verleugnen, sind machbar. Dies haben unter anderem 2011 das Theater Luzern und vor einigen Jahren das Stadttheater Bern bewiesen – leichthändig, mit Sentiment gewürzt, amüsant, aber ohne Schenkelklopfer.
Die Vorzüge der Bieler Fledermaus liegen denn auch in der Musik. Harald Siegel ist die Qualität des Abends zu danken. Mit dem ambitionierten Sinfonie Orchester Biel Solothurn lässt er die süffige Eleganz und das mitreissende Strauss-Melos aufschäumen. Tatjana Gazdik punktet als Rosalinde mit apartem Sopran. Entzückend die Adele von Christa Fleischmann, die mit Spitzentönen, schönem Timbre und einem superbem «Mein Herr Marquis» glänzte. Peter Bernhard macht als balzender Eisenstein als Sänger und als Darsteller eine gute Figur. Aufhorchen lassen mit hellem Mezzo Violetta Radomirksa als Orlofsky, Enrico Marrucci als smarter Falk und Jan Rusko als Alfred mit herrlichem Tenorschmelz, sowie Publikumsliebling Ulrich S. Eggimann als Frank und Günter Baumann als Frosch mit Flachmann und Wiener Schmäh. In weiteren Rollen gefielen Ljupka Rac als Ida, Fritz Niederhäuser, Christian Morf, Andreas Weber und Valentin Vassilev sowohl als Chorleiter wie als Iwan. Der freundliche Premieren-Applaus galt denn auch vor allem dem Sängerensemble und dem Orchester.
Der Premieren-Applaus galt vor allem dem Sänger- ensemble und dem Orchester.