Reinmar Wagner, Die Südostschweiz (04.11.2013)
Am Luzerner Theater ist das Cole Porter-Musical «Kiss Me Kate» zu sehen. Kurzweilig, aber auch ein bisschen brav wirkte die Inszenierung vom Luzerner Theaterdirektor Dominique Mentha bei der Premiere am Donnerstag.
Es gibt Inszenierungen, die desavouieren sich selbst: Da führt uns Dominique Mentha eineinhalb Stunden lang ganz anständig durch Cole Porters Musical-Version der alten Shakespeare-Geschichte von «der Widerspenstigen Zähmung». Und dann lässt er nach der Pause Marie-Luise Dressen den Hit «Too Darn Hot» als heisse Nachtclubsängerin hinlegen als sei sie die Reinkarnation von Ella Fitzgerald. Madelaine Wibom macht als Vocal Background im Glitzerkleidchen nicht minder gute Figur und Todd Boyce darf so richtig nach Herzenslust seine offensichtliche Ader zum American Showbiz ausleben. Aber es kam noch besser: Gleich anschliessend zeigten die sechs Tänzer des Luzerner Theaters in einer fulminanten Choreographie von Kinsun Chan ihre athletischen Fähigkeiten. Und Paul, der farblose Inspizient, entpuppt sich als brillanter Steptänzer.
Zum Schluss fehlte der Mut
So könnte ein amerikanisches Musical von 1948, das durch eine der besten Musical-Verfilmungen (George Sydney, 1953) optisch geprägt ist, heute auch aussehen. Aber mehr traute sich Mentha dann doch nicht. Wieder brav erzählte er die Geschichte zu Ende inklusive des frauenfeindlichen Finales, das er nur ein ganz klein bisschen augenzwinkernd kommentieren mochte. Es wurde nun auch wieder deutsch gesungen, und trotz der sehr guten, mit viel Wortwitz spielenden Übersetzung wirkten sowohl die Songs wie die gesprochenen Dialoge sofort schwerfällig. Das liegt natürlich auch daran, dass Opernsänger meistens nicht wirklich gute Theatersprecher sind, zumal wenn die ausländischen Akzente etwa bei Wibom und Boyce unvermeidlich durchschimmern. Das liess sich vom schauspielerisch engagierten Luzerner Ensemble mit viel Action und Körpereinsatz zwar teilweise kompensieren. Aber man ist in der eigenen Sprache auch einfach kritischer im Hören und setzt höhere Ansprüche an die Verständlichkeit, um die es nicht immer gut bestellt war.
Farbe, Tempo und Ideen
Trotz (dezenter) Verstärkung litten auch die Songs unter solchen Mängeln. Und daran ist auch der Dirigent Florian Pestell mitschuldig. Zu oft liess er dem bei Porter stilgemäss oft dominierenden Blech zu viel dynamische Freiheiten. Schlicht zu laut wurde so manche Nummer im kleinen Luzerner Theater, zu massiv klangen die Trompeten und Posaunenlinien, zu sehr auf burschikos und Mitmach-Drive getrimmt. Wie sec und prägnant Cole Porter klingen könnte, zeigen gerade die Aufnahmen von ihm selbst, und dann hätten auch die Sänger weit mehr Spielraum im Ausgestalten ihrer Linien und sprachlichen Nuancen.
Nun, genug gemäkelt. Insgesamt ist die Luzerner Produktion durchaus sympathisch gelungen. Sie hat Farbe, Tempo und Ideen, sie kostet die Möglichkeiten des Stücks mit Spielwitz und Gags aus, sie spielt handwerklich gekonnt mit den darin angelegten Vermischungen von realer Handlung und dem Theaterstück, das diese Truppe im heissen Juni in Baltimore aufführen will. Dahin hat es Shakespeares Komödie im Musical nämlich verschlagen. Die Autoren Bella und Samuel Spewack erfanden eine neue Rahmenhandlung mit Liebesverwirrungen unter den Hauptdarstellern, die zudem die lokale Mafia auf den Plan ruft und komödiengerecht für Intrigen, Missverständnisse und pikante Situationen sorgt, in die eingebettet auch noch Shakespeares «Taming oft he Shrew» als heruntergekommenes Tingeltangel-Theater stattfinden soll. Wichtigste Elemente von Werner Hutterlis Bühne sind folgerichtig schäbige Pappkulissen und eine enge Wendeltreppe aus Metall, die auch den ganzen Chor in den fantasievoll und farbig geschneiderten Kostümen von Mechthild Feuerstein aushalten muss.