Im Garten der Koloraturen

Tobias Gerosa, St. Galler Tagblatt (14.02.2006)

La finta giardiniera, 12.02.2006, Zürich

Nikolaus Harnoncourt dirigiert Mozarts frühe Buffa «La Finta Giardiniera» am Opernhaus Zürich

Nikolaus Harnoncourt am Pult, Regisseur Tobias Moretti und ein ideales Ensemble widerlegen am Opernhaus Zürich alle Vorurteile gegen Mozarts frühe, selten gespielte «Finta Giardiniera».

Sogar bei Mozart gibt es noch Entdeckungen zu machen. Wer bei seiner «Finta Giardiniera» von 1775 bisher noch ans Vorurteil einer starren und langweiligen Opera Buffa glaubte, kann sich am Opernhaus Zürich von Nikolaus Harnoncourt und Tobias Moretti lustvoll und intelligent eines Besseren belehren lassen.

Irrungen, Wirrungen

Wer wird hier am Schluss glücklich? Alle, sagt der kurze Schlusschor; denn der Wahnsinn ist verflogen und der Podestà gibt nicht nur seine eignen amourösen Ambitionen auf, sondern verzichtet auch auf sein Einspruchsrecht bei den Heiraten der anderen.

Doch so einfach ists schon beim 19-jährigen Mozart nicht mehr. Ob nach dreieinhalb Stunden Irrungen und Wirrungen der Liebe noch zu trauen ist – jener zwischen der Marchesa, die sich um ihre Liebe zu retten als Gärtnerin Sandrina beim Podestà verdingt, und ihrem Conte Belfiore, der sich mittlerweile bis zur Hochzeitsplanung an Arminda herangemacht hat? Vieles wird von der musikalischen Schlusswendung nur notdürftig überdeckt, und der harmonisch überraschende, schwebende Ruhepunkt im Finale betont dies noch zusätzlich.

Das Opernhaus hätte sich für seine erste Mozart-Produktion in diesem Jubiläumsjahr keinen besseren Anwalt als Nikolaus Harnoncourt wünschen können. Harnoncourt sagte vor einigen Wochen zwar praktisch alle Engagements ab: Mit 77 Jahren müsse er sich schonen und brauche mehr Erholungszeit. Während die Berliner Philharmoniker oder die Salzburger Festspiele daher nicht mehr mit ihm rechnen können, wird er laut Intendant Alexander Pereira in Zürich weiterhin jährlich eine Oper einstudieren.

Noch immer strahlt Harnoncourt eine Präsenz aus, die sich nicht nur auf die Musiker des Orchestra la Scintilla und die Sänger, sondern auch aufs Publikum überträgt. Da gibt es kein Zurücklehnen, sondern stets hellwaches Mitgehen mit der Musik – gegenüber der eigenen CD-Einspielung von 1992 sogar noch geschärft, tänzerischer und viel stärker aus der Sprache gestaltet.

Das geht so weit, dass die Secco-Rezitative dem Sprechgestus angenähert oder manchmal ganz gesprochen werden und auch die Accompagnati oder die in diesem Werk auffallend häufigen Stimmungsumschwünge in den Arien rhetorisiert werden. Das macht nicht nur Effekt, sondern betont in bestechender Weise die inneren Vorgänge und liefert so eine Steilvorlage für einen Regisseur, der ebenfalls unter die Oberfläche schauen will.

Das tut Tobias Moretti (als Schauspieler längst mehr als nur «Kommissar Rex») in seiner erst zweiten Opernregie. Man merkt seiner Arbeit die Erfahrung auf der Schauspielbühne positiv an. Rolf Glittenbergs kühles Atrium und die heutigen Kostüme (Renate Martin/Andreas Donhauser) setzen dafür einen zeitgemäss schlichten, doch markanten Rahmen. Wie Moretti darin die Handlung äusserlich und psychologisch zu motivieren versteht, beeindruckt auf Anhieb. Dazu nimmt er seine Sänger offensichtlich an die Hand und lässt sie eine (bisweilen durchaus handfeste) Komödiantik entwickeln, die mit Musik und Text gekonnt auf der Schneide zwischen Lächerlichkeit und Tragik balanciert.

Farbige Besetzung

Nebenrollen gibt es so keine, auch wenn Ruxandra Donose (als von den Kürzungen beschnittener Ramiro), Oliver Widmer (Nardo) und Julia Kleiter (eine Serpetta, die aufhorchen lässt) Randfiguren bleiben.

Obwohl Rudolf Schasching als Podestà meilenweit von kultiviertem Mozartgesang entfernt singt, ist er als Bühnentier eine Idealbesetzung für diesen gefährdeten, düpierten Amtsinhaber. So wie seine Nichte Arminda, die Isabel Rey als Hochglanzgirl mit Hündchen, aber etwas kleiner Stimme gibt, stellte er sich wohl seine Frau auch vor; zur etwas distanzierten Eleganz der Kantilenen von Eva Meis Sandrina würde er passen wie die Faust aufs Auge. Doch passt Conte Belfiore, dieser schusslige Dandy wirklich besser? Christoph Strehl verkörpert die Ambivalenz zwischen tenoralem Liebhaberschema und dessen Demaskierung, singt aber wie ein Mozart-Tenor ersten Ranges.

So droht bei Mozart auch im Mozartjahr kein Überdruss.