Onegin steckt trotz Zeitsprüngen in der Vergangenheit fest

Reinmar Wagner, Die Südostschweiz (20.01.2014)

Eugen Onegin, 18.01.2014, Basel

Pjotr Iljitsch Tschaikowskys «Eugen Onegin» hat am Samstag am Theater Basel Premiere gefeiert. Die Oper kam als eine auf verschiedenen Ebenen vielschichtige Inszenierung mit musikalisch soliden Interpretationen daher.

Es wird nicht so ganz klar, was dieser Raum, den Ralf Käselau auf die grosse Bühne des Theater Basel gebaut hat, sein soll: Theater? Kirchgemeindehaus? Mehrzweckhalle? Jedenfalls steht er zeitlich tief im 20. Jahrhundert, und irgendein Chor singt, während Eugen Onegin noch vor der Ouvertüre das Foyer betritt. Offensichtlich hält hier jemand Rückschau auf sein Leben. Es gibt auch eine Bühne – im Viebrock’schen Tapetenmuster – und darauf entfalten sich Onegins Erinnungen an die verhängnisvollen Jugendjahre, in denen er Tatjanas Liebe erst zurückwies, dann von ihr zurückgewiesen wurde und, wäre das nicht genug, im Duell aus gekränktem Stolz auch noch seinen Freund Lenskij tötete.

Konstruierte Zeitsprünge

Für die zweite Hälfte mit dem Duell und dem Wiedersehen in Fürst Gremins Haus verschwinden die Accessoires eines konkreten Raums, und übrig bleiben weisse Vorhänge, die Bar und das Portal mit dem Notausgang-Zeichen. Corinna von Rad erzählt diesen «Eugen Onegin» nicht nur als Rückblende, auch innerhalb ihrer Geschichte gibts Zeitsprünge, so wie sich Erinnerungen manchmal überlagern. Das wirkt bisweilen anregend, oft aber auch ein wenig konstruiert. Genauso arbeitet sie in ihrer Personenführung: Momente anhaltender Statik wechseln mit übertrieben turbulenter Aktion.

Ein solider Erik Nielsen

In dieser Inszenierung ist vieles gewollt demonstrativ, und nicht immer erweist es sich als erhellend, was Von Rad uns zeigt. Vor allem schafft sie es nicht, diese Figuren aus den Tiefen des 19. Jahrhunderts in unsere heutige Welt zu transportieren. Tatjana, Lenskij, Onegin bleiben seltsam heimatlos inmitten der feiersüchtigen Party-People. Ihr Duell tragen die beiden Kontrahenten dann auch tatsächlich mit Oldtimer-Pistolen aus, spätestens da wird die Künstlichkeit dieser Inszenierung mit Händen greifbar.

Giuliano Betta sollte eigentlich die Premiere dirigieren, wurde aber durch den Amerikaner Erik Nielsen ersetzt. Der machte seine Sache sicher und solid, hielt die Dramatik hoch und die musikalischen Spannungen aufrecht. Klanglich setzte er die Register deutlich voneinander ab, suchte differenzierende Klangfarben, was ein wenig auf Kosten eines satt-warmen romantischen Orchesterklangs ging.

Asiatische Stimmenkomposition

Die Sängerbesetzung wurde von Asiaten dominiert. Der Chinese Liang Li sang mit vollem, rundem Bass die Liebesarie des Fürsten Gremin. Den zweiten Frühling nahm man dieser profunden, satten Stimme sofort ab. Zwei Koreanern wurden die zentralen Partien anvertraut: Sunyoung Seo sang die Tatjana mit rundum passendem Timbre, viel souveränem technischem Können und einiger Stimmkultur. Mit etwas mehr Mut in dynamischen und klangfarblichen Schattierungen würde ihre Figur noch persönlicher und sympathischer wirken.

Eung Kwang Lee hatte als Eugen Onegin ebenfalls einen gelungenen Premierenabend, wenn auch manchmal seine stimmlichen und technischen Möglichkeiten eine differenziertere Interpretation einschränkten. Als Lenskij gefiel der Russe Andrej Dunaev, der seine grosse Arie mit nachdenklichen und verschatteten Zwischentönen zu einem berührenden Porträt aufwertete.