Familienoper: «Rettet den Wald, esst mehr Biber!»

Reinmar Wagner, Die Südostschweiz (27.01.2014)

Príhody Lisky Bystrousky, 25.01.2014, Bern

Dem Theater Bern gelang am Samstag eine poetische wie auch sehr witzige, musikalisch ebenso stimmige Umsetzung von Janáceks Oper «Das schlaue Füchslein». Kinder und Erwachsene kamen dabei gleichermassen auf ihre Kosten.

Sie sind allerliebst, die Tiere des Waldes: Die Mücke macht den Doktor mit langem Stachel, der sich bestens für Bluttransfusionen eignet. Der Uhu spielt Anstandsdame, und man zweifelt keine Sekunde, dass die rotierende Handtasche schlagkräftig im Dienste von Sitte und Moral eingesetzt würde. Frosch, Maus, Grille und Heuschrecke, Fuchs und Dachs hat Justina Klimczyk mit wunderschönen Masken und Kostümen ausgestattet. Und der Regisseur Markus Bothe gibt ihnen mit Witz und Ironie die jeweils passenden Körpergesten und Bewegungsmuster mit. Und amüsiert mit schrägen Anspielungen: «Rettet den Wald, esst mehr Biber!», wie es bei der grossen Waldkundgebung auf einem Plakat steht.

Ein kunterbunter Kinderzoo! Das Theater Bern deklariert diese Janácek-Oper denn auch als Familienvorstellung, und lässt deswegen (leider!) deutsch singen.

Aber Bothe bleibt nicht beim hübschen Märchentheater stehen, sondern bietet gleichzeitig auch den Erwachsenen eine adäquate Fassung des Stücks. Zwei tanzende Libellen (Choreografie: Norbert Steinwarz) geleiten den Förster durch seine Träume und Erinnerungen. Dieser Mann liegt auf dem Sterbebett. Sein Leben, seine Erinnerungen, seine Träume vermischen sich im Delirium zu diesem bunten Bilderreigen an Szenen, Gestalten und Ereignissen, den Janácek 1921 mit 67 Jahren nach dem Fortsetzungsroman von Rudolf Tesnohlidek zur Oper geformt hatte.

Leidenschaft, Poesie, Atmosphäre

Mit diesem Kunstgriff entledigt sich Bothe mit einem Schlag aller Probleme, die eine Inszenierung von Janáceks oft fragmentarischen Szenen bietet. Um eine konzise Geschichte und Handlung ging es dem tschechischen Komponisten überhaupt nicht, sondern um Stimmungen, Farben, um eine optimistische, aber gelegentlich auch melancholische Hymne an das Leben, die Natur und ihre ständige Erneuerung. Die Enge des Krankenzimmers mit ihrer Waldmotiv-Tapete (Bühne: Ralph Ziegler) weitet sich. Aus Schränken werden Türen, aus Löchern in den Wänden dringt die Natur herein. Die zeitlichen und örtlichen Ebenen verschwimmen ebenso wie die Grenzen zwischen Menschen und Tieren. So kann die Beziehung des Försters zum kleinen Füchslein ganz zwanglos, und ohne die kindergerechte Umsetzung zu unterminieren eine erotische Ebene bekommen. Das hat Leidenschaft, Poesie und Atmosphäre, aber auch interpretatorische Denkarbeit: Selten war eine Familienoper so poetisch und suggestiv, und gleichermassen durchdrungen von konzeptioneller Schlüssigkeit und souveränem Regie-Handwerk.

Gelungene Umsetzung

Das liegt auch an der Musik, die Janácek vielfältig schillernd, voller Details und instrumentaler Raffinesse, aber auch mit lyrischer Intensität und mächtig aufblühenden Orchesterklängen komponierte. All diese Effekte waren unter den entschieden und präzis schlagenden Händen der jungen litauischen Dirigentin Mirga Grazinyte-Tyla beim erstaunlich reif und delikat spielenden Berner Sinfonieorchester in sehr guten Händen.

Unter den Sängern wünschte man der ansonsten tadellosen Camille Butcher in der Titelrolle trotz der wachen und oft subtilen Dynamik aus dem Orchestergraben etwas mehr Volumen. Pavel Shmulevichs immer wieder beeindruckender Bariton verströmte dagegen fast zu viel davon. Robin Adams war ein solider Förster und Christina Daletska überzeugte in der Rolle des glühend verliebten Fuchses, wie auch alle Aufgaben im Berner Ensemble bis hin zum Kinderchor in guten Händen waren.