Oliver Meier, Berner Zeitung (27.01.2014)
Konzert Theater Bern bringt «Das schlaue Füchslein» von Leoš Janáček als All-Age-Oper auf die Bühne – mit zwiespältigem Ergebnis. Aufhorchen lässt erneut das Berner Symphonieorchester unter der hochtalentierten Kapellmeisterin Mirga Gražinyte-Tyla.
Diese Oper war mal ein Comic. 1920 erschien in der Brünner Zeitung «Die Abenteuer des Füchslein Scharfohr», eine Bildergeschichte in Wilhelm-Busch-Manier, die auch Leoš Janáček (1854–1928) begeisterte. Die Idee, daraus eine Oper zu machen, stammte von der kunstaffinen Haushälterin des Komponisten. So zumindest geht die charmante Legende.
Eine Jungfüchsin wird vom Förster gefangen, nimmt Reissaus, gründet mit dem galanten Fuchs eine Familie und wird schliesslich vom Wilderer erschossen: Ob das ein Musiktheater ergibt? Janáček selbst hatte seine Zweifel. Doch entstanden ist am Ende eine der originellsten Opern des 20. Jahrhunderts. Ein Spätwerk mit gesellschaftskritischem Unterton, dabei voller Poesie und Ironie. Ein Gleichnis über den ewigen Kreislauf der Natur, über Freiheit und Gefangenschaft, über Alter und Tod.
2006 setzte das Opernhaus Zürich auf üppigen Märchenzauber, liess die Grundthemen im niedlichen Bilderbuchwald versumpfen. Die Berner Neuproduktion umgeht diese Gefahr zumindest teilweise. Natürlich, es fehlt nicht an Tiermaskeraden und animalischen Drolligkeiten. Doch bei Regisseur Markus Bothe wird «Das schlaue Füchslein» nicht zur Ausschmückungsoper. Der Wald ist bloss angedeutet, von demselben Material wie die Tapete im Försterzimmer. Das hat seinen Hintersinn. Bothe stellt die Försterfigur ins Zentrum, verpasst der Inszenierung eine Rahmenhandlung, erzählt die Geschichte aus der Perspektive des sterbenden Försters im Delirium.
Eine Oper für Kinder?
Es fehlt in dieser Inszenierung nicht an charmanten Ideen. Wie der Holzschrank des Försters im Verlauf des Stücks zum symbolischen Multifunktionsobjekt avanciert, gehört dazu. Erst erscheint er als Fuchskäfig, dann als Dachsbau, schliesslich als Kiste, prädestiniert für das frischvermählte Ehepaar Fuchs, um in die Kiste zu steigen. Das Anbandeln der beiden, bald naiv, bald ausgefuchst, ist köstlich. Auch beim tierischen Kollektivaufstand gegen den Dachs im zweiten (und besten) Akt, trifft die Regie den Ton der Ironie.
Über weite Strecken wirkt der Abend allerdings eher harmlos und gemächlich. Hier zeigt sich die Krux der Produktion, die als All-Age-Oper ab 9 Jahren konzipiert ist und als Familienabend verkauft wird. Janáček hatte keine Kinderoper im Sinn. Inwieweit sich seine fragmentarische Erzählweise Kindern erschliesst, blieb am Samstag offen – das Premierenpublikum war dem Kinderalter entwachsen. Der Preis der Kompromisse aber ist beträchtlich. Bei keinem Komponisten ist die Originalsprache wichtiger als bei Janáček, der seine Musik aus der Melodie des Tschechischen entwickelte. In Bern setzt man aufs Deutsche – wobei dieses gesungene Deutsch mehr schlecht als recht verständlich ist.
Mit lyrischer Leichtigkeit
Dafür ist die Musik von bemerkenswerter Klarheit. Verantwortlich dafür ist die junge 1. Kapellmeisterin Mirga Gražinyte-Tyla am Pult des Berner Symphonieorchesters, das die vertrackten Schichtungen, die häufigen Takt- und Tempowechsel gekonnt umsetzt. Nicht Janáčeks spröder Klangstil, die rhythmische Prägnanz seiner Musik steht bei Gražinyte-Tyla im Fokus. Mit viel Lust am Detail zeigt die Litauerin einen Janáček voll lyrischer Leichtigkeit, selbst in den spätromantischen Schwelgereien im zweiten Teil. Auch das üppige Ensemble hinterlässt einen guten Eindruck. Das gilt für die Nebendarsteller wie für die Protagonisten: Camille Butcher bestreitet die Doppelrolle als Füchsin und notorische Männerfantasie Terynka mit leichtem Sopran, der bestens zum Ansatz der Dirigentin passt. Robin Adams punktet mit stimmlicher Präsenz, vermag in seiner Försterrolle die existenziellen Grundthemen indes nur bedingt zu transportieren. Am Ende gibts warmen Premierenapplaus. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.