Tobias Gerosa, Basler Zeitung (04.03.2014)
Verdis «Aida» am Opernhaus
Was ein Putzkübel für Emotionen auslösen kann! Der Strippenzieher Ramfis (Rafal Siwek) reicht ihn am Ende des kriegsgeilen Triumphfinales zynisch der äthiopischen Sklavin Aida. Im Opernhaus Zürich reichte diese Szene und die direkt nach der Pause folgende, in der Aida in gelben Handschuhen und auf Knien den Boden schrubbt, für erzürnte Zwischenrufe und einen Buhsturm für das Regieteam um Tatjana Gürbaca. Dabei hat sie nur umgesetzt, was im Libretto steht: Aida wird als Sklavin an der Siegesfeier teilnehmen.
Die Genauigkeit im Szenischen und Musikalischen ist einer der ganz grossen Trümpfe dieser Neuinszenierung. Sie beginnt mit dem ersten Ton, den Generalmusikdirektor Fabio Luisi wunder- zart aus dem Nichts entstehen lässt und zu dem Regisseurin Gürbaca ganz einfach und klar die realistische und die utopisch-illusorische Ebene ihrer Inszenierung einführt. Ägypten ist nur eine Chiffre für die Themen Macht und Verführbarkeit. Durch die halb transparenten Wände sieht Radames Aida, die fremde Sklavin, in die er verliebt ist. Ist sie real oder ein Traumbild? Kommt diese ganz feine Musik des Anfangs in Radames’ grosser, für den Tenor ganz fies früh kommender Arie wieder, nimmt auch die Regie die Begegnung auf – eines von vielen Beispielen, wie genau Gürbaca auch auf die Musik reagiert.
Den Rest erzählt die Musik
Im zweiten Teil beginnen für die meisten «Aida»-Inszenierungen die Probleme, weil die grossen Handlungen ausbleiben und die Figuren im Vordergrund stehen – und dann meist eben nur stehen. Bei Gürbaca wird es jetzt erst richtig spannend. Zum utopischen Liebesduett zwischen Aida und Radames, in dem sie ihn zum Verrat verführen will, erscheint eine Familienidylle, wie sie hätte sein können. Es ist nicht nötig, dass die Inszenierung die Einmauerung von Radames und Aida nachspielt. Die in einem Styroporregen zusammenbrechende Decke reicht, zusätzliche Spannung entsteht dadurch, dass Amneris, die Nebenbuhlerin, neben ihnen steht – den Rest erzählt die Musik. Selten ergänzen sich die beiden Ebenen so vielschichtig, so klug und so schön wie hier.
Die junge Amerikanerin Latonia Moore hat als Aida berückende vokale Momente. Wie natürlich sie ihre Stimme durch die Register führt, ist eindrücklich. Bis die technisch schwierigen Passagen kommen, etwa in der grossen Szene im 3. Akt. Spätestens dann fällt auf, wie sich Moore auch mit der szenischen Anlage ihrer Rolle schwerzutun scheint – ihre Liebe, der zentrale Konfliktpunkt, bleibt so uneingelöste Behauptung. Aber das ist alles, was diese überzeugende Produktion beeinträchtigt. Ausser man stört sich an der Genauigkeit, für die der Putzkübel steht.