Bruno Rauch, Der Landbote (04.03.2014)
Die jüngste «Aida»-Produktion des Zürcher Opernhauses findet vor allem im Orchestergraben statt. Die weniger überzeugende Inszenierung der Verdi-Oper provozierte heftige Buhrufe.
Tatjana Gürbacas zweite Inszenierung am Zürcher Opernhaus wurde mit gespannter Vorfreude erwartet, hat sie doch mit «Rigoletto» in der letzten Spielzeit zwar polarisiert, aber eine geniale Regiearbeit buchstäblich «auf den Tisch gelegt». Jetzt wiederum Verdi. Diesmal «Aida», ein Werk aus einer späteren Schaffensperiode. Und eines, das mit opulenten Bildern aus Freilichtbühnen – Elefanten, Pyramiden, dunkel geschminkten Äthiopiern – besetzt ist. Dass Gürbaca mit diesem Massenspektakel nichts würde anfangen können, war zu erwarten – und dafür sind wir ihr dankbar.
Leider aber ist ihr kein inhaltlich überzeugender Ansatz gelungen. Aida als farbige, wahrscheinlich mies entlöhnte Schwarzarbeiterin mit weisser Nanny-Schürze, Gummihandschuhen und Scheuerlappen zu zeigen, macht den Stoff nicht heutiger. Ebenso wenig wie ein Fernsehgerät aus der Vor-Flachbildschirm-Ära, das sich perfekt eignet, um Sektgläser oder Longdrinks darauf abzustellen. Auch dass Amneris Radamès in der finalen Grabesszene einen Martini (?) kredenzt, wirkt aufgesetzt wie vieles andere.
Betonung der Intimität
Das Bühnenbild von Klaus Grünberg versucht die Monumentalität, mit der «Aida» oft gegeben wird, zu brechen und stattdessen die verkannte Intimität des Stücks zu betonen. Eine taugliche, ja äusserst willkommene Überlegung! Nur, statt einen gedanklichen Raum zu schaffen, wo sich die Handlung um Kriegstreiberei, verkrustete Macht und Utopie einer besseren Welt entfalten könnte, baute er eine schicke Lounge – belanglos und beliebig.
Die erhöhte Spielfläche ist möbliert mit Designersofas, Salontischen und besagtem TV-Gerät. Und natürlich stehen da auch die entsprechenden Karaffen herum; man bedarf in prekären Situationen schon mal eines tüchtigen Schlucks, ob als Pharaonentochter oder als desillusionierter Kriegsheld. Die Rückkehr des «Vincitor» ist denn auch eine der wenigen gelungenen Szenen: Als Radamès, siegreich zwar, doch emotional versehrt, aus dem Krieg heimkehrt, wirft er sich auf eines der vielen Sofas, zappt sich durch die Kanäle und durchlebt nochmals die traumatisierenden Szenen seiner Mission.
Durch raffinierte Lichtführung erkennt man hinter semitransparenten Wänden, gefiltert durch die nebulöse Optik von Tüllwänden, die Gräuel und Folgen des Kriegs. Dazu erklingen Triumphmarsch und Ballettmusik, was deren verstörende Absurdität unterstreicht. Eindrucksvoll auch der herunterprasselnde Gips, als sich die Grabkammer schliesst. Und wunderbar, wie Fabio Luisi am Pult der Philharmonia Zürich diese letzte Szene musikalisch gestaltet und so den Bogen zum delikaten Vorspiel spannt. Da steht ein Klangmagier am Pult, der die kammermusikalischen Aspekte der Partitur betont und selbst den grossen Orchesterklang subtil formt, was – gewiss auch Absicht Gürbacas – die zwischenmenschlichen Beziehungen offenbart.
Grosses Solistenquartett
Latonia Moores warm timbrierter Sopran gibt stimmlich eine berührende Aida. Iano Tamar ist eine elegante Amneris, die sich als zwiespältiger Charakter profiliert; ein Zwiespalt, der sich in den Registerwechseln etwas prekär ausnimmt. Mit tenoralem Stahl meistert Aleksandrs Antonenko als Radamès seine exponierte Auftrittsarie und findet im Finale zu bewegender Innigkeit. Als Amonasro komplettiert Andrzej Dobber mit sonorem Bariton das Solistenquartett.