Tschaikowskis schrecklich grünes Kartenspiel

Bruno Rauch, Die Südostschweiz (08.04.2014)

Pique Dame, 06.04.2014, Zürich

Robert Carsen inszeniert am Zürcher Opernhaus Pjotr Iljitsch Tschaikowskis «Pique Dame». Gradlinig, konsequent, stimmig. Und ganz in Grün.

Grün, alles Grün. Kein lichtes, hoffnungsfrohes Grün. Sondern das satte, filzige Grün der Spieltische. Matt und klaustrophobisch. So präsentiert sich die Einheitsbühne, die Michael Levine für Pjotr Iljitsch Tschaikowskis «Pique Dame» entworfen hat: strikt, schnörkellos, wie sie Alexander Puschkins Novelle als Vorlage suggeriert. Und dennoch dem emotionalen Pathos, mit der Tschaikowski sie auflud, eine stimmige Folie bietend, zumindest in grossen Teilen.

Ein rechteckiger Raum, eine Zelle gar: grüne Polsterwände, grüner Boden. Grün beschirmte Lampen beleuchten 14 Spieltische mit Stühlen, die nur in einzelnen Szenen einem immensen Bett mit (grüner!) Polsterung oder der leeren Spielfläche weichen. Das reduzierte Bühnenbild ist Programm, verdeutlicht es doch die fatale Spielleidenschaft, die den Protagonisten, ja, die ganze Gesellschaft von Müssiggängern um- und antreibt, mit geradezu handgreiflicher Physis.

Optisch monochrom …

Selbst der besungene Maientag verkommt in diesem obsessiven Kerker zur Utopie. Das ist konsequent gedacht und umgesetzt. Das rückt die klare Regie Robert Carsens und die Musik ohne ablenkendes Kolorit ins Zentrum. Aber es birgt in seiner Einförmigkeit auch die Gefahr der Ermüdung. Geschuldet ist dies dem Verzicht auf die kontrastierenden Episoden: den Kinderchor zu Beginn und das Schäferspiel beim Ball, was auch den drauffolgenden Jubel für die Zarin, die eben nicht kommt. in der Luft hängen lässt – wie das Bett, das sich symbolschwer von oben herabsenkt.

Sind die besagten Szenen auch ein kompositorisches Zugeständnis an den Zeitgeschmack, so brechen sie doch dramaturgisch das düstere Geschehen. Zwar lässt sich ihre Streichung zur Steigerung der emotionalen Intimität wohl vertreten, dennoch betonen sie die Monochromatik der Inszenierung, was die durchwegs dunklen Kostüme von Brigitte Reiffenstuel zusätzlich akzentuiert.

Dass dem Zwang zum Glücksspiel – zum Spiel ums Glück – letztlich Liebe und Leben geopfert werden, wird schon im ersten Bild angedeutet: Hermann liegt leblos am Boden. Wer es nicht weiss, ahnt es: Er wird sich am Schluss des Abends umbringen.

Denn er liebt – oder glaubt es zu tun – Lisa, die er nur durch erspielten Reichtum zu gewinnen können vermeint, weshalb er ihrer Grossmutter, auch sie einst eine leidenschaftliche Spielerin, das Geheimnis der drei Gewinnkarten entreisst. Doch Lisa, obwohl bereits mit einem andern verlobt, ist ihm längst verfallen, fasziniert von der abgründigen Aura, die den Fremden umgibt.

… aber klanglich vielfarbig

Der monochromen Ästhetik auf der Bühne setzt die Philharmonia Zürich unter Jirí Belohlàvek eine überaus nuancierte, farbenprächtige Klangpalette entgegen. Das Orchester kostet den emotionalen Gehalt der Partitur kraftvoll und dennoch mit subtilem Zugriff aus.

Zum fabelhaft singenden Chor gesellen sich ausnahmslos exzellente Solisten. Der kurzfristig eingesprungene Aleksandrs Antonenko leiht dem unglücklichen Hermann seinen metallisch gefärbten Tenor und betont so weniger dessen depressive Larmoyanz als vielmehr seinen Willen, das Glück zu zwingen. Brian Mulligan macht Jeletzki dank breit strömendem, noblem Bartion zum glaubwürdigen Fürsten. Als Lisa überzeugt Tatiana Monogarova mit leuchtendem, unangestrengtem Sopran und mädchenhafter Erscheinung. Über eine subtile Pianokultur und damit unglaubliche Intensität verfügt Doris Soffel als alte Gräfin, während Anna Goryachova als reizende Polina mit ihrer Romanze für einen musikalischen Lichtblick sorgt. Trotz Moll-Tonart!