In Seifenblasen in die Welt der Kinder

Alfred Ziltener, Mittelland-Zeitung (31.03.2014)

L'enfant et les sortilèges, 29.03.2014, Basel

«L’enfant et les sortilèges» ist eine gelungene Aufführung für Jung und Alt.

Seifenblasen begrüssen das Publikum vor dem Beginn der Oper «L’ enfant et les sortilèges» («Das Kind und der Zauberspuk») auf der Kleinen Bühne des Theaters Basel. Ein Märchenwesen in giftgrüner Uniform und Riesenbrille lässt die glänzenden Kugeln über die Sitzreihen fliegen. Es wird sich später als Laubfrosch herausstellen.

Die Blasen führen zurück in die Welt der Kinder, in der die Oper spielt. Sie stehen aber auch für das Werk selbst: Die Dichterin Colette und der Komponist Maurice Ravel haben mit ihrem Einakter ein ähnlich irisierendes, zwischen Wirklichkeit und Traum schwebendes Gebilde geschaffen: Ein Kind quält Tiere, zerschlägt das Teegeschirr, zerstört Wanduhr und Tapete. Doch plötzlich werden die Dinge lebendig und bedrohen den Übeltäter. Die als skurriler Alter personifizierte Arithmetik verwirrt ihm zusätzlich den Kopf. Es flieht in den Garten, doch dort klagen die Tiere über das Leid, das es ihnen zugefügt hat, und fallen über es her. So lernt es seine Lektion: Es hilft einem verwundeten Eichhörnchen und die Tiere helfen nun auch dem ebenfalls verletzten Kind.

Ein grosses Orchester fehlt

Das könnte mit seiner altbackenen Kinderbuch-Moral ganz schön kitschig sein; doch die manchmal kindgerechte, manchmal poetische Sprache des Librettos und die Musik verbinden sich zu einem Meisterwerk. Ravel lässt augenzwinkernd das Teegeschirr einen Foxtrott und die Libelle ein Walzer-Chanson singen; das Schäferpaar aus der Tapete tritt zu einem barocken Tambourin auf; das Vorspiel zur Gartenszene hingegen entfaltet den ganzen Zauber der nächtlichen Natur. In Basel spielt man nicht die Orchesterpartitur, sondern eine Fassung für Klavier zu vier Händen, Flöte und Violoncello. Das ist nachvollziehbar, aber ohne Ravels raffinierte, farbige Instrumentierung hört man im Grunde nur das Skelett der Musik.

Im Übrigen ist die Aufführung gelungen. Die Regisseurin Barbora Horakova Joly erzählt die Geschichte plausibel. Die Bühnenbildnerin Marion Menzinger hat ein surreal verfremdetes Wohnzimmer gebaut, in das sich für die Gartenszene skurrile Pflanzen, Mini-Möbel und ein grosses rosarotes Kunststoff-Eichhörnchen senken. Bernhard Duss hat witzige, überraschungsreiche Kostüme geschaffen, mit Verweisen auf die 1920er-Jahre, in denen das Stück entstanden ist. Die Jungtiere im Garten lässt er als Doubles des Kindes auftreten, die sich um ein Muttertier scharen, das seiner eigenen Mutter gleicht. Hier sieht es die Geborgenheit in einer Gemeinschaft, die es bisher verweigert hat.

Die Aufführung ist eine Koproduktion des Theaters mit der Basler Hochschule für Musik; und so bilden Mitglieder des Opernstudios Oper-Avenir und Absolventen der Hochschule ein ausgezeichnet singendes, stimmiges Solistenensemble. Nathalie Mittelbach interpretiert das Kind mit schön timbriertem, frei fliessendem Mezzosopran. Emanuel Heitz gibt mit schlankem, höhensicherem Tenor dem Teekrug und der Arithmetik groteskes Profil. Amelia Scicolone lässt als Feuer die Koloratur-Funken nur so stieben. Rolando Garza dirigiert die Solisten und das sauber spielende Instrumentalensemble. Die Aufführung wird auch Kindern gefallen. Gesungen wird französisch, mit deutschen Untertiteln.