Reinmar Wagner, Die Südostschweiz (23.09.2014)
Andreas Homoki hat am Sonntag seine dritte Saison am Zürcher Opernhaus mit Wagners Oper «Lohengrin» in seiner eigenen Inszenierung eröffnet. Am Pult stand eine der raren Frauen im Dirigentenberuf: Simone Young.
Sie tragen Dirndl oder Lederhos’n und Bergschuhe die «brabantischen» Männer und Frauen im «Säli» von der Dorfbeiz, und mit ihrem Chef, dem Gemeindepräsidenten – Pardon: König Heinrich – da heben sie gerne den Holzhumpen. Das Frauenbild ist entsprechend, Elsa hat keine Chance, sich gegen ungerechte Anschuldigungen zu wehren. Nur die resolute Ortrud stemmt kurz mal die Fäuste in die Hüften, und die Bergler kuschen. Irgendwo zwischen Oktoberfest und Tirol siedelt Homoki seinen «Lohengrin» an. Wie sich ein Schwanenritter von Grals Gnaden dahin verirren kann, ist unsicher, aber auch irrelevant: Er kommt, weil Elsa ihn träumt und braucht. Aber doch alles versiebt: Angestachelt von Ortruds revanchistischen Ambitionen kann sie nicht aufs Maul hocken, und muss ihrem Retterritter partout die einzig verbotene Frage – «nach Nam’ und Art» – stellen, worauf wir in den Genuss einer der schönsten Tenor-Arien Wagners kommen: «In fernem Land …»; die Gralserzählung.
Wenig Erhellendes zum Verständnis
Zwei brennende blutrote Herzen haben Homoki und sein Bühnenbildner Wolfgang Gussmann als Etikett für ihre Produktion gewählt. Ein bisschen rätselhaft: Wo bitte spielt hier Liebe eine Rolle? Gut, Elsa hat sich ihren Ritter in bewährter Wagner-Manier (wie bereits Senta im «Fliegenden Holländer») schon mal geträumt. Aber warum ein Gralsritter denn Sinn seines eingeweihten Lebens darin finden kann, eine Prinzessin zu heiraten, die er seit zehn Minuten kennt, das hat mir noch kein Regisseur schlüssig erklären können. Auch Homoki nicht, der mit seinem Bergler-«Lohengrin» zwar handwerklich – vor allem mit dem Chor – gut in den Details der Personenführung gearbeitet hat, aber ausser dem Nacherzählen der Geschichte wenig Erhellendes zu unserem Verständnis des Stücks beiträgt. In Wien hat er im letzten Frühling die Produktion schon durchexerziert – mit durchmischten Reaktionen bei Presse und Publikum. Auch in Zürich erntete seine Regie ein paar leidenschaftliche Buhs.
Nicht gerechtfertigte Orgien
Logisch oder nicht: Klaus Florian Vogt nahm man Lohengrins Liebe und Leidenschaft uneingeschränkt ab: Sein «Weh, nun ist all’ unser Glück dahin» nach der verhängnisvollen verbotenen Frage klang so ergreifend echt, dass man tatsächlich Bedauern fühlte. Auch sonst mag man dem Schwanenritter in Vogts Gestaltung gerne folgen: Viele wunderschön gestaltete Piano-Linien in rund-warmem Timbre, tenorale Höhensicherheit und prächtige Strahlkraft in den Aufschwüngen prägten die vollendete Gestaltung von Vogts Paraderolle.
Bisweilen tendierte er zwar ein wenig zu manieristischen Übertreibungen, bei gewissen Dehnungen in der Graserzählung etwa, auch hin und wieder in der Dynamik, wobei wir um jedes Pianissimo dankbar waren. Es zwang nämlich die resolute Frau am Pult zum Mitziehen. Reagiert auf ihre Sänger hat Simone Young schnell und dezidiert. Aber nicht immer wurde solches gefordert. Vor allem die Massenszenen mit dem klanglich gut aufgestellten, rhythmisch manchmal noch etwas wackligen Chor gerieten zu Fortissimo-Orgien, die im kleinen Zürcher Haus nicht mehr sinnvoll zu rechtfertigen sind.
Forte-Attacken von Simone Young
Wenn man über eine Stimme verfügt wie die Mezzosopranistin Petra Lang, dann muss man sich darüber keine allzu grossen Sorgen machen. Ihre Ortrud hatte selbst in extremsten Lautstärken noch Reserven, zudem ge staltete sie die Partie auch mit bemerkenswert vielfältigen klangfarblichen Finessen und charakteristischen Ausdrucksnuancen. Genau daran mangelte es der Elsa von Elza van den Heever: Klangfarblich eindimensional stieg sie in die Sopran-Höhen, Intensität konnte sei eher gestisch und darstellerisch als sängerisch kreieren. Beeindruckend hingegen gestaltete Martin Gantner sein Rollendebüt als Telramund und setzte sich mit kernig-kräftigem Bariton und guter Diktion immer wieder erfolgreich gegen die Forte-Attacken Simone Youngs durch.