Benjamin Herzog, srf.ch (18.09.2014)
Die Opernsaison in Basel ist gestartet. Elmar Goerden inszeniert Offenbach: «Contes d’Hoffmann». Und dann gibt's da noch «Föhn», das amüsant-anheimelnde Wetterstück. Ein starkes Ensemble trägt die Vielfalt der kommenden Opernsaison. Auch wenn darin nicht alles reines Stimmgold ist.
Was für ein hoher Standard muss an der Pariser «Opéra comique» um 1880 geherrscht haben – mit welch hervorragenden Sängern! Das denkt man unwillkürlich bei einer Aufführung von Jacques Offenbachs «Les Contes d’Hoffmann». Antonia, Giulietta, die virtuose Automatenfrau Olympia, Hoffmanns Muse – allein für die Frauenrollen verlangt Offenbach vier hochvirtuose Sängerinnen.
Olympia, Muse, Edelkurtisane
Dass das Theater Basel dieser Anforderung entspricht, ohne mit teuren Stars auftrumpfen zu müssen, verweist auf eine gesunde Besetzungspolitik. Mit den Ensemblemitgliedern Agata Wilewska als stupender Olympia, Solenn' Lavanant-Linke als kühler Muse und Sunyoung Seo als Edelkurtisane mit ebenso edler Stimme. Und auch Maya Boog als halb quirlige, halb verschlampte Antonia mit passend brüchiger Stimme, ist Basel eng verbunden.
Ein Ausfall bei den Männern
Auch bei den Männern ist in dieser Produktion Schönes zu vermelden. Simon Bailey als Gast aus Frankfurt, in Basel unter anderem als Coppelius: ein Edelbariton mit Schwärze, Spiellust, den wir gerne wieder hören würden.
Anders, bedauerlicherweise: Die Titelfigur, wurde von Ensemblemitglied Rolf Romei gehörig in den Sand gesetzt. Schwache Mittellage, oft gepresst in den oberen Registern, wenig Legatokultur, unsicher in der Intonation.
Ein Ärgernis, das sich jede Spielzeit wiederholt, auch wenn der Sänger sich gegenüber seinem Berlioz’schen «Faust» etwas verbessert hat. Man wird Romei noch in «Daphne» und einer Hölderlin-Oper von Peter Ruzicka erdulden müssen.
Sensible Regie
Eine Oper fällt nicht mit einer schwach besetzten Titelrolle. Doch macht es sie auch nicht besser. Besonders bei einem Regisseur wie Elmar Goerden, der sensibel mit der Musik umgeht, ihr auch einfach mal die Bühne freiräumt. Was bei den «Contes d’Hoffmann» kein Leichtes ist: Eine Vielzahl an Geschichten ist da zu erzählen.
Hoffmann, der verliebte Fantast, der sich in den Automaten Olympia verliebt und sich nicht einmal von dessen stockendem Kunst-Gesang seine Liebesblindheit nehmen lässt.
Goerden setzt Olympia auf ein rosa Pferd, Stecker im Rücken, CD-Begleitung im Pferdenacken. Am Schwanz wird das Ganze angekurbelt. Urkomisch.
Sonst herrscht auf der Bühne Vorstadttristesse. Eine Imbissbude, eine Tankstelle, ferne Hochhäuser im Nebel. Der Wahn oder Alkoholrausch, in dem Hoffmann seine «Erzählungen» zusammenträumt, prallt auf öde Realität. Eine Aufforderung, so dem Alltagsgrau zu entkommen, die wohl nicht ganz abwegig ist. Illusion und Desillusion liegen eng beieinander, so haben wir Goerden verstanden. Und das vermag über die drei Stunden auch gut zu tragen.