Bettina Kugler, Ostschweiz am Sonntag (14.09.2014)
Das Theater St. Gallen eröffnete gestern abend die Spielzeit im Grossen Haus mit Mozarts Singspiel «Die Entführung aus dem Serail»: Frisch und überzeugend besetzt, zeigt die Inszenierung den Serail als Ort der erotischen Verwirrung.
Am Ende steht die Freiheit, und am Ende gibt es, nicht ganz überraschend, reichlich Applaus für Sänger, Orchester und Regie. Wenn auch die Liebenden dieser «Entführung aus dem Serail», mit der die Spielzeit am Theater St. Gallen im Grossen Haus gestern abend zugkräftig begann, in ihren Gefühlen nicht unbeschadet von dannen ziehen. Zumindest Konstanze (Jennifer O'Loughlin) und Belmonte (Roman Payer) sind Irritation und nachhaltige Erschütterung der Herzen anzusehen, wenn sie sich über die Seitengänge des Zuschauerraums eilig davonstehlen. Mögen das Werk und sein Happy End noch so vertraut erscheinen, die Inszenierung von Johannes Schmid nimmt den Figuren jede Sicherheit und spielt mit der Vieldeutigkeit, der Flatterhaftigkeit der Gefühle, mit Illusion und handfestem Begehren.
Verliebt bis zum Wahnsinn, zugleich zu Tode betrübt: Zwischen diesen emotionalen Extremen bewegt sich Mozarts Singspiel am Premierenabend so jäh, wie man es aus der Ouverture kennt – mit ihren schnellen Wechseln der Lautstärke, mit ihren Explosionsartigen Einwürfen «alla turca». Otto Tausk am Pult des Sinfonieorchesters St. Gallen kultiviert die verführerische Kraft des Fremden ebenso wie die Bühne von Michael Kraus mit ihren verschiebbaren Wänden im maurischen Stil. Ein überzeugendes Hausdébut gibt Levente Páll als Haremsaufseher Osmin: vital, komödiantisch und facettenreich statt simpel böse.