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Roger Cahn, Blick (17.01.2006)

Orlando, 15.01.2006, Zürich

Die barocke Oper über den rasenden Helden Roland verlegt der deutsche Regisseur Jens-Daniel Herzog in ein Irrenhaus. Seine Story zieht das Publikum in ihren Bann. Dass daneben auch gesungen wird, stört kaum. Premiere war am Sonntag.

Roland, der vielbesungene mittelalterliche Held, führt in Händels Oper einen inneren Kampf: Ruhm im Krieg oder Erfolg in der Liebe. Er entscheidet sich für seine geliebte Angelica, doch diese liegt bereits fest in den Armen seines Nebenbuhlers Medoro. Das treibt ihn zur Raserei, aus der er am Ende nur durch den Zauber des Magiers Zoroastro befreit werden kann.

Regisseur Jens-Daniel Herzog und sein Bühnenbildner Mathis Neidhardt verlegen die Szenerie in eine psychiatrische Klinik zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der Magier mutiert zum Chefarzt, Orlando zum irren Patienten. Und dieser wahnsinnige Held wird mit der Zeit so gefährlich, dass er mit den damaligen Mitteln der Psychiatrie nicht mehr behandelbar ist, mit Tränengas überwältigt und mit Morphium ruhig gelegt werden muss. Diese Geschichte wird hervorragend gespielt.

Bei so genau durchdachten und faszinierenden Ideen steht die Musik bald einmal auf verlorenem Posten. Da nützen auch das intensive und feinfühlige Dirigieren von William Christie sowie das differenzierte Spiel des barocken Orchestra La Scintilla der Oper Zürich wenig.

Selbst die hervorragend gesungenen Arien des Titelhelden durch die Altistin Marijana Mijanovic - diese Rolle wurde früher von berühmten Kastraten interpretiert - vermögen die Aufmerksamkeit der Zuhörer nicht auf die Musik zu lenken. Es ist ja einleuchtend, dass Irre in ihrem Wahn auch mal zu singen beginnen. Und daran, dass Frauen Männerrollen spielen, hat man sich auch schon längst gewöhnt.

Wenn die Regie so ganz auf den barocken Kosmos des Werks verzichtet, tut sich die Musik bei «Orlando» zusätzlich schwer und wirkt gelegentlich wie ein Fremdkörper. Georg Friedrich Händel fehlen hier im Unterschied zu anderen Opern weitgehend die zündenden Ideen. Die Musik plätschert so dahin, angenehm fürs Ohr, kaum störend fürs Auge.

Fazit: Einer der seltenen Fälle, wo die Story des Regisseurs spannender ist als die Oper selbst.