Schweinetanz und Moulin Rouge

Martin Preisser, St. Galler Tagblatt (22.12.2014)

Gräfin Mariza, 20.12.2014, St. Gallen

Der Operette gebührenden Raum für den Zauber der Musik und den Witz des Wortes geben, ohne den Inhalt krampfhaft zu intellektualisieren: Das ist der freudige Nenner der St. Galler «Gräfin Mariza», die vorgestern Premiere hatte.

Dass St. Gallen die «Gräfin Mariza» mache, fand Yvonne Kálmán ein «Ereignis». Die Tochter des Operettenkomponisten Emmerich Kálmán war für die Premiere extra aus Mexiko angereist und dürfte von der Inszenierung durch Stefan Huber sicher begeistert gewesen sein. Der Zauber, der unglaublich melodiöse wie farbige Reichtum von Kálmáns Musik wurde nie gestört durch Regie-Ideen, die krampfhaft modernisieren wollen. Im Gegenteil: Die St. Galler «Mariza» gab dem Quirligen, dem Komödiantischen, dem im besten Sinne Unterhaltsamen phantasiereichen Raum.

Feinsinnige Musik

Bedeutendes Element war der Tanz. Ja, eigentlich wurde fast nur getanzt, von der Sängercrew und von der Tanzkompagnie des Theaters St. Gallen. Die spielte Tennis oder mit Heugabeln und Milchkannen. Sie kam als Schweineherde oder aber sexy als Moulin-Rouge-Truppe auf die Bühne. Der Tanz half entscheidend, die Operette in fröhlichstem Fluss zu halten, äusserst geschickt choreographiert von Danny Costello. Und für einen Premierenabend war das Bühnengeschehen sehr präzis mit dem Orchester abgestimmt. Dirigent Stéphane Fromageot zauberte die unheimlich feinsinnige und durchsichtige Musik Kálmáns mit Verve in den Raum. Rhythmisch ansteckend der grosse Reigen an Rhythmen, von den revuehaften, den jazzigen, den ungarischen Tänzen bis zu den elegantesten Walzern.

Am Premierenabend überzeugten besonders die beiden Hauptpaare der Handlung: Siphiwe McKenzie wunderbar präsent, humorvoll und stimmlich voll kräftiger Eleganz. Besonders schön gelang ihr auch die Wandlung von der Gräfin Mariza als Adelige in die als Bäuerin. Tobias Bonn als Graf Tassilo überzeugte mit lyrischer Kraft und breiter emotionaler Palette als abgewiesener und dann angenommener Liebhaber. Klar und strahlend war auch die Stimme von Simone Riksman als Lisa. «Ihr» Baron, Koloman Zsupán, wurde vom stimmkräftigen Riccardo Botta gespielt, der ein starkes komödiantisches Element in die Rolle brachte. Ein Element, das auch in weiteren Rollen zum garantierten Erfolg der Inszenierung beitragen sollte.

Humoristische Höhepunkte

Das «Bühnendeutsch» war durchgehend humorvoll ungarisiert. Auch Walter Andreas Müller bewies hierbei, dass er nicht nur Politiker perfekt imitieren, sondern auch den ungarischen Akzent wunderbar parodieren kann. Als lästiger Fürst Dragomir hatte er die Lacher stets auf seiner Seite. WAM, wie man Müller auch nennt, bewies quirlige Bühnenpräsenz und viel sängerisches Können, wenn auch nicht ganz so stimmgewaltig wie seine «echten» Operettenkollegen. Die zweite Medaille für einen starken humoristischen Auftritt möchte man Christoph Marti als Fürstin Cuddenstein verleihen. Wie er da in eine Frauenrolle geschlüpft ist und gesanglich teilweise an Zarah Leander erinnerte, war einmalig.

Vielseitig bespieltes Schloss

Schauspielerisch geschickt ordnete sich auch Max Gertsch als wunderbarer Penižek ein, ebenso sind als weitere lebendig agierende Operetten-«Helfer» Christian Hettkamp, Cristian Joita und der stets agile, als einziger österreichisch akzentuierende Peter Zimmermann (als Tschekko) zu nennen. Eine eindringliche junge Gesangsstimme war mit Theresa Holzhauser als Manja zu erleben.

Tanz, Humor, Raum für die zauberhafte Musik, die Crew so üppig wie fein eingekleidet von Heike Seidler, alles im rechten Licht (Pira Virolainen) und dazu ein Bühnenbild, das all das schlicht und erfreulich unüberladen unterstützte. Als einfache Kombination aus Burg und Moschee war das Bühnenschloss von Stephan Prattes gestaltet: Dezent angestrahlt mit Mondlicht, Rosen oder Laub, langsam gedreht wie die grossen Gefühle der Protagonisten und mit zwei Treppen eifrig für rasante Gruppenszenen eingesetzt, auch mit einem gut disponierten Theaterchor (Einstudierung: Michael Vogel). Die Terrasse war nicht nur Rückzugsort für die Verliebten, sondern auch Bühne für eine temperamentvolle Zigeunerband, angeführt vom feurigen Geiger André Vitek, unterstützt von Dražen Gvozdenović (Akkordeon) und Peter Lenzin (Saxophon).

Die St. Galler «Mariza»: insgesamt ein wunderbar entspanntes Operettenvergnügen, prickelnd wie Champagner, schnell, kurzweilig, rassig und mit vielen tollen Ideen der Inszenierung, die der Musik ihren absoluten Charme liessen, ja ihn leichtfüssig noch vermehrten.