Benjamin Herzog, srf.ch (27.04.2015)
Das Theater Basel zeigt Calixto Bieitos Neu-Interpretation von Mozarts Oper «Così fan tutte» – verkürzt auf zwei Dutzend Arien, kombiniert mit Texten des französischen Schriftstellers Michel Houellebecq. Der Erkenntnisgewinn daraus ist marginal, das moderne Puzzle bleibt weit hinter dem Original.
Im Zentrum des einstündigen Abends stehen die Gefühlslagen der Protagonisten.
Die vier jungen Leute sind frustriert, vereinsamt – trotz gemeinsam genossenem Sex (Iurii Samoilov, Anna Princeva, Solenn' Lavanant-Linke, Arthur Espiritu).
Hinter einem Gaze-Vorhang spielt das Orchester: Die Nähe der Musiker zu den Sängern geben dem Abend eine intime Note.
Noëmi Nadelmann als Zofe Despina und Don Alfonso (Andrew Murphy) sind die einzigen, die nicht dem Bett entsteigen.
Zwei Paare betrügen sich übers Kreuz, zurück bleibt ein Scherbenhaufen. Das ist, verkürzt gesagt, der Plot von Wolfgang Amadeus Mozarts Oper «Così fan tutte». Man nehme aus dieser Oper zwei Dutzen Arien und Ensembles, setze sie neu zusammen und würze das Ganze mit Texten von Michel Houellebecq: Das ist das Rezept von Calixto Bieitos Opern-Arrangement.
Trotz Sex - frustriert und vereinsamt
Was kommt nach dem Betrug? Dieser Frage geht Bieito nach. Eine «Geschichte über Liebe, Enttäuschung und Wunschträume» nennt er seine Version von Mozarts «Così fan tutte». Doch eine Geschichte wird gar nicht erzählt. Ein weisses Rokoko-Bett mit Platz für vier steht auf der weissen Bühne des Theater Basel. Dahinter, hinter einem Gaze-Vorhang, das Orchester.
Man sieht zwei Männer und zwei Frauen dem gemeinsamen Bett entsteigen. Wie sie hineingekommen sind und warum, bleibt offen. Dafür geht der einstündige Abend den Gefühlslagen der Protagonisten nach. Die vier jungen Leute sind frustriert, vereinsamt – trotz gemeinsam genossenem Sex. Die Texte von Michel Houellebecq verstärken diese Gefühle noch, bringen sie in eine aktuelle und explizite Sprachform.
Mozart «zertrümmert»
Die Nähe der Musiker zu den Sängern und der kammermusikalische Ton, den Dirigent Ryusuke Numajiri und das Sinfonieorchester Basel anschlagen, geben dem Abend eine intime Note. Auch sind die Gesangsleistungen gut bis sehr gut. Allen voran Noëmi Nadelmann als Zofe Despina – zusammen mit Don Alfonso, die einzige, die nicht dem Bett entstiegen ist, aber ebenso sehr unter zu wenig Liebe (und auch zu wenig Sex) leidet.
Calixto Bieito geht in einer guten, klar nachvollziehbaren Personenführung nah an die Personen heran. Ferrando, einer der vier, singt wie versteinert. Ihm hat das Liebesspiel den Boden unter den Füssen weggezogen. Dorabella hingegen könnte ihren Liebhaber erwürgen, wenn dieser verliebt eine andere ansingt. Fiordiligi wiederum schämt sich über das Vergangene. Das hat alles seine Richtigkeit. Doch dafür, dass Bieito Mozarts Oper gelinde gesagt «zertrümmert» hat, ist der Erkenntnisgewinn marginal.
Gute Gesangsleistungen, wenig Erkenntnisgewinn
Die Aktualität, wie sie beim ewigen Thema Liebe und Betrug gegeben ist, könnte bei einer normalen Inszenierung genauso gut dargestellt werden. Bieitos Auseinandernehmen und neu Zusammensetzen der «Così fan tutte» steht weit hinter dem Original. Und bleibt deshalb fragwürdig und wenig überzeugend.