Der Tenor unter dem Reifrock

Susanne Kübler, Tages-Anzeiger (05.09.2015)

Der Schauspieldirektor, 03.09.2015, Winterthur

Das Zürcher Opernhaus und das Theater Kanton Zürich tun sich zusammen: zu einer hinreissend unmöglichen Theatertruppe.

Auch Schauspieler und Sängerinnen blödeln manchmal gern – und warum nicht mit Mozart? Der hat in seinem Singspiel «Der Schauspieldirektor» einst den Theaterbetrieb persifliert, und die Vorlage lässt sich trefflich in die Gegenwart versetzen. Also in einen muffigen, ungeheizten Raum auf der Bühne des Theaters Kanton Zürich, in dem ein Vorsprechen respektive Vorsingen stattfinden soll. Oder eben: ein von Rüdiger Burbach inszeniertes und von Stephan Benson getextetes, ebenso virtuoses wie vergnügliches Vorblödeln.

Veranstaltet wird es vom Theater Kanton Zürich und dem Zürcher Opernhaus, die erstmals eine gemeinsame Produktion präsentieren. Beziehungsweise von Frank (Daniel Hajdu), der kein Schauspieldirektor ist, aber gern einer wäre, und der Schauspielerin Eidler (Katharina von Bock), die noch einmal jene jugendliche Liebhaberin sein möchte, als die sie einst gefeiert wurde. Die beiden rivalisieren als Juroren vor einem Podium, auf dem alles antritt, was sonst nirgendwo eine Chance hat.

Da ist etwa der Tenor (Spencer Lang), der in einer seltsamen Sprache spricht und auch beim Singen Mühe hat mit dem Text: «Lass dich müssen, lass dich bücken» singt er, wo es doch ums Küssen und Drücken ginge. Immerhin leistet er wertvolle Dienste unter dem Reifrock seiner darstellerisch grandios hölzernen Kollegin (Deanna Breiwick), die so bei «Welche Wonne, welche Lust» endlich auf Touren kommt.

Denn ja, man hat auch andere Mozart-Arien importiert, aus der «Entführung aus dem Serail», der «Zauberflöte» und «Zaide». Schliesslich enthält der «Schauspieldirektor» nur gerade fünf musikalische Nummern – allerdings hörenswerte. Vor allem der Zickenkrieg der beiden «ersten Sängerinnen» ist eine fulminant komponierte Parodie auf alle möglichen Primadonnen-Klischees.

Kamikaze-Yoga-Pantomime

Überhaupt, die Klischees: Sie werden an diesem Abend lustvoll überaus zelebriert. Die Sopranistin Rebeca Olvera ersticht sich während ihrer Arie «Da schlägt die Abschiedsstunde» ein ums andere Mal und singt doch immer weiter. Der nicht mehr ganz jugendliche Stefan Lahr gibt neben Tell und Gessler auch den Walterli. Miriam Wagner spielt schauderhaft schlechten Trash und schauderhaft schlechte Empfindsamkeit und wird am Ende wegen ihrer Wandelbarkeit engagiert. Und dann ist da noch der stoische Andreas Storm, der zur «Kleinen Nachtmusik» eine Kamikaze-Yoga-Pantomime zelebriert, dass das Publikum vor Lachen fast von den Stühlen fällt.

Dass die ganze Musik von Till Löffler zu einer Version für Bläserquintett und Synthesizer geschrumpft worden ist, schadet da gar nichts. Mehr ist in diesem abgetakelten Theater ja sowieso nicht zu erwarten. Und das wenige fügt sich dank den Opernhausmusikern und ihrem Dirigenten Thomas Barthel präzis ins gekonnt ungekonnte Ganze.