Melancholie in der Matroschkawelt

Bettina Kugler, Ostschweiz am Sonntag (13.09.2015)

Eugen Onegin, 12.09.2015, St. Gallen

Mit Tschaikowskys lyrischer Oper «Eugen Onegin» hat gestern abend die Spielzeit im Grossen Haus des Theaters St. Gallen begonnen. Nikolay Borchev debütierte in der Titelrolle als cooler Melancholiker – darstellerisch stark und stimmlich intensiv.

Die Freigeisterei trägt Jeans, das schwarze T-Shirt über dem Hosenbund: So cool und lässig betritt Nikolay Borchev als Eugen Onegin die Matroschkawelt, in der Tatjana (Evelina Dobračeva) schon sehnsüchtig auf einen wie ihn wartet. Beide wirken sie im überzeichnet folkloristischen Provinzidyll mit rotwangigen Bauernmädchen und Burschen im Kosakenhemd wie im falschen Film. Und beide gewinnen schnell die Sympathie des Publikums – nicht erst am Ende des gestrigen Premierenabends wurden sie mit reichem Beifall bedacht.

Besonders das Bühnenbild (Susanne Gschwender) und die Kostüme (Anna Eiermann) setzen in Lydia Steiers Inszenierung von Tschaikowskys «Eugen Onegin» auf krasse Kontraste: Hier das drehbare, reich bemalte Holzhäuschen, ein Baba-Jaga-Hüttchen, vor dem Mutter Larina (Terhi-Kaarina Lampi) ihren verlorenen Träumen nachtrauert, gleich dahinter beginnt die grosse Leere, ziehen die Wolken vor traumblauem oder unwirklich gelbem Himmel vorbei.

Frauenschicksale wiederholen sich hier über Generationen hinweg – dafür finden die Ausstatterinnen das etwas plakative Bild der Laubsäge-Matroschkas, die Tatjanas Mädchenzimmer dekorieren; Tatjana sieht ihnen fast zum Verwechseln ähnlich. Facettenreich jedoch gestalten die Solisten ihre Partien; das Sinfonieorchester St. Gallen unter Leitung von Otto Tausk trägt und umspielt sie in schönen, nicht ganz so grellen Farben wie die Inszenierung.