Alle gegen einen

Roger Cahn, Blick (13.12.2005)

Peter Grimes, 11.12.2005, Zürich

Der britische Komponist Benjamin Britten (1913-1976) stellt mit «Peter Grimes» das Los des Aussenseiters zur Diskussion, er selbst war homosexuell. Premiere war am Sonntag im Opernhaus Zürich.

Die Dorfgemeinschaft akzeptiert den Aussenseiter Peter Grimes - ehrgeiziger Fischer mit sperrigem Charakter -nicht. Er solle seine Gesellen misshandeln, ja diese in den Tod treiben. Er wird zum Mörder gestempelt. Grimes sieht nur einen Ausweg: die Selbstopferung.

Die grosse Frage der Oper lautet: Ist Peter Grimes ein schlechter Mensch oder wird er von der Gesellschaft dazu gemacht? Der Komponist lässt die Frage offen. Seine Musik zeugt von einem innerlich zerrissenen und besessenen Menschen.

Regisseur David Pountney aber legt sich fest: Er zeigt den Helden als Opfer. Die Dorfgemeinschaft ist auf der Bühne omnipräsent, Grimes hat keine Chance. Symbolisch lässt er Grimes das «Kreuz» schultern und seine Via Dolorosa beschreiten.

So macht er es seinem Titelhelden einfach: Der englische Tenor Christopher Ventris konzentriert sich auf Schöngesang, was ihm brillant gelingt. In seiner Auseinandersetzung mit der Gesellschaft darf er den Geplagten mimen - auch das liegt ihm.

Einzig als er einen Fischerjungen plagt, tritt endlich auch Grimes' Schattenseite hervor. Dass die starke Emotionalität von Brittens Figuren eher weichgezeichnet erscheint, mag damit zusammenhängen, dass Pountney das Geheimnisvolle und Gespenstische der Oper durch zu viel Betriebsamkeit auf der Bühne überspielt.

Es bleibt der Musik vorbehalten, die Vielschichtigkeit der Oper zu veranschaulichen. Chefdirigent Franz Welser-Möst tut dies. Besonders in den sechs orchestralen Zwischenspielen werden Brittens Stimmungen genau getroffen. Auch der Chor liefert absolute Spitzenleistung!

Fazit: Ein klarer Beweis, dass Oper nicht ins Museum gehört.