Reinmar Wagner, Die Südostschweiz (29.02.2016)
Der deutsche Spassregisseur Herbert Fritsch hat am Opernhaus Zürich «King Arthur», eine sogenannte «Semi-Opera» aus Schauspiel und Gesang von John Dryden und Henry Purcell, inszeniert. Es wurde viel gelacht an der Premiere am Samstag.
Gerade mal eine halbe Minute lang darf dieser Arthur ein Held sein: Der Vorhang enthüllt ihn in silbern schimmernder Rüstung, in Bühnennebel und kaltblauem Licht wie der gute Ritter einer Fantasy-Saga. Dann macht ihn Herbert Fritsch nachhaltig zum Deppen: Scheppernd setzt sich dieser Blechhaufen in Bewegung, verliert seinen Helm und spielt mit seinen grotesken Schnabelschuhen ein bisschen Fussball damit. Derweil schleppen seine nicht minder ungeschickten britischen Krieger Holzschwerter im Multipack an, die immer wieder krachend zu Boden fallen. Und es geht so weiter: Ob Krieger, Hofdamen, Magier oder Geister – man überbietet sich nach Kräften in Pannen und Peinlichkeiten.
Schreien, stöhnen, pantomimen
So viel Klamauk war zu erwarten beim Theaterregisseur, Computerkünstler und Bühnenbildner Herbert Fritsch, der schon 2013 am Opernhaus Zürich gearbeitet hat und seine damals erste Oper überhaupt der Tschechow-Vertonung «Tri Sestri» von Peter Eötvös widmete. Schon da prägten Slapstick-Elemente und die Bewegungsmuster von Trickfilmfiguren die Szenerie. Noch mehr als im melancholischen Tschechow-Stück darf in «King Arthur» nach Herzenslust grimassiert, überzeichnet und chargiert werden. Denn hier steht weniger der Gralssucher und Tafelrunden-Meister, der Kriegsherr und ehrenhafte Ritter im Zentrum, sondern ein verliebter Arthur auf Freiersfüssen, der nur eben mal schnell den Krieg mit den Sachsen zu Ende bringen will, damit er zu seiner geliebten Emmeline zurückkehren kann.
Ob Schauspieler oder Sänger, bei Fritsch wird keiner verschont. Die unverstellte Bühne, deren einziges Element eine riesige Projektionswand für farbige Mosaikmuster ist, ermöglicht viel Bewegung – und natürlich fällt dabei immer mal wieder jemand auf die Nase. Schreien, stöhnen, pantomimen – mit allem, was zur Verfügung steht, wird gespielt und gebastelt. Sogar der Souffleur muss am Ende daran glauben: Er wird erstochen. Aus dem Orchester kommen auch Töne und Geräusche, die Purcell nicht geschrieben hat, und die im Stil von Trickfilmen die Szenerie untermalen. Die gekonnt grotesken Kostüme von Victoria Behr unterstreichen diese Comic-Optik. Selbst die deutsche Übersetzung des John-Dryden-Texts muss Federn lassen, die Verse werden kalauernd und schüttelreimend auseinander gepflückt und mit mehr oder weniger originellen Kommentaren angereichert. Nicht immer gelingen die Gags, nicht jeder Einfall ist wirklich witzig im über dreistündigen Abend. Manche Ideen wirken platt, immer wieder zielt man unter die Gürtellinie, was bei einer Minderheit des Publikums auch zu lautstarkem Protest oder zum Verlassen des Saals führte. Die Mehrheit hingegen war begeistert und bejubelte die Premiere am Ende lautstark.
Hymne an good old England
«King Arthur» ist – anders als etwa «Dido and Aeneas» – keine durchkomponierte Oper, sondern ein Mischwesen, eine «Semi-Opera» mit einem grossen Anteil an gesprochenem Text. Die Hauptpersonen King Arthur, seine Geliebte Emmeline, sein Widersacher Oswald oder die beiden Magier Merlin und Osmond singen keine Note. Dafür erhalten all die Zauber- und Geisterwesen, Pan und die Schäferinnen, Venus und Cupido ausdrucksvolle, oft illustrative und nicht selten effektvoll raffinierte Musik, und das Finale ist losgelöst von der glücklich endenden Geschichte eine eigentliche Hymne an good old England.
Ein Engländer stand auch am Pult der Barockformation La Scintilla des Zürcher Opernorchesters: Laurence Cummings sorgte stets für federnden Drive und stimmige Tempi. Im farbig besetzten Orchester kamen die barocken Klangfarben in stilsicherem Gewand und instrumentaltechnisch virtuos zum Blühen. Die Sänger standen diesmal etwas im Schatten der Schauspieler oder erhielten – wie der falsettierend sprechende Bass Hubert Wild oder Mélissa Petit als quirliger Luftgeist Philidel – in erster Linie durch ihre schauspielerische Leistung Präsenz. Für die zentralen Rollen vertraute Fritsch auf die bewährten Fähigkeiten seiner Schauspieler-Familie: Wolfram Koch – bekannt nicht nur aus den führenden deutschen Theatern, sondern auch aus zahlreichen Filmen – spielte König Arthur, Florian Anderer seinen sächsischen Widerpart Oswald. Auch die Magier waren prominent besetzt, mit einer sparsam agierenden Corinna Harfouch als Merlin und einer jede Szene ins Groteske wendenden Annika Meier als Osmond.