Bruno Rauch, Neue Luzerner Zeitung (05.04.2016)
«Macbeth» von Giuseppe Verdi am Opernhaus Zürich: Shakespeares grosse Tragödie findet in unheilvoller Düsternis statt.
Keine wabernden Dämpfe. Kein Theaterblut. Keine Hexen ums glimmende Feuer mit dem Topf, in dem magisches Gebräu brodelt. Kein wüstes Gelage. Kein Wald, der gespenstisch vorrückt. Nichts als Finsternis! Der schwarz ausgeschlagene Bühnenraum wird lediglich durch vier Lichterreihen definiert und gleichzeitig im Vagen belassen: ein düsterer Korridor, leer und dennoch klaustrophobisch. Klaus Grünberg hat einen in seiner Radikalität genialen Nichtraum entworfen.
Ohne Brimborium
Es wäre ebenso naheliegend wie banal, die blutrünstige Geschichte um Macbeth und dessen machtbesessene Gattin, die den Thron durch Meuchelmord und Intrige usurpieren, zu aktualisieren; heutige Beispiele gäbe es zuhauf. Barrie Koskys Inszenierung verzichtet glücklicherweise strikt auf jegliches Theaterbrimborium und erzeugt durch Reduktion und Monochromatik eine atemberaubende Dichte und erschütternde Schlüssigkeit.
Bildhafter Horror
Wie in der Partitur in einmaliger Konsequenz angelegt, sind die Nebenrollen szenisch an den Rand gedrängt, um den Fokus schonungslos auf Macbeth und seine Lady zu richten. Die Nebenfiguren und der Chor singen mehrheitlich aus dem Off. Nur selten tritt dieser als schwarz verhüllte Masse auf, flatternd und wogend, gleichsam surreale Inkarnation jener unheimlichen Nachtvögel, die im Text als Unheil verkündende Boten der Finsternis mehrmals evoziert werden. Deren Schwingen und schwarze Federn für Blut und Tod stehen. Und die in bewegten Rabenattrappen realistische Gestalt gewinnen. Selbst harmlose Luftschlangen, die das schauerliche Bankett des zweiten Akts feuerwerksartig animieren, werden zur unheilvollen Verstrickung.
Suggestive Klangwelt
Ohne die Handlung auf der Oberfläche zu bebildern, verknüpft sich so das Geschehen auf der Bühne eng mit der suggestiven Klangwelt von Verdis Musik. Mit einer Schärfe sondergleichen durchleuchtet der musikalische Leiter Teodor Currentzis die Partitur, setzt markige Akzente und lässt feinstes Piano glühen, ja, selbst die häufigen Pausen vibrieren vor bedrohlicher Spannung.Schrill groteske Züge, abgrundtiefe Schwärze, dramatische Zuspitzung – Currentzis zeichnet nicht nur äusserst plastisch, er weiss auch präzis zu koordinieren. Und die glänzend disponierte Philharmonia Zürich folgt ihm beherzt.
Seelische Tiefenschärfe
Das ausnahmslos exzellente Sängerensemble fügt sich perfekt in dieses Konzept. Titelrollenträger Markus Brück scheut sich nicht, stimmlich mitunter an die Grenze zu gehen und seinen kraftvoll strömenden Bariton zum Flüstern zurückzunehmen, um so der gebrochenen Figur des Macbeth seelische Tiefenschärfe zu verleihen: ein grosses verderbtes Kind und willenloses Werkzeug seiner Triebe. Und nicht minder seiner Gattin.
Dieser Lady Macbeth gibt Tatiana Serjan glutvolles Profil. Auch sie stellt ihren Sopran ganz in den Dienst der psychologischen Wahrheit, mal schneidend, mal rau, dann wieder spöttisch, verführerisch oder in irrer Ekstase rauschhaft auftrumpfend – nicht engelhaft, sondern teuflisch, wie es Verdi verlangte.