Dominique Spirgi, TagesWoche Online (23.10.2016)
Eine strube Geschichte legt Giuseppe Verdi mit seiner Oper «La forza del destino» vor. Regisseur Sebastian Baumgarten bringt den elenden Schicksalsreigen in einem symbolschwangeren Dekor, aber ohne ironische Distanz auf die Bühne des Theater Basel, auf der vor allem die junge Sopranistin Elena Stikhina zu begeistern vermag.
Das dramaturgische Schicksal in Opern meint es oft nicht gut mit Liebenden. Aber selten ist der Lauf der Dinge so elend wie in Giuseppe Verdis «La forza del destino», wo sich wirklich alles zum Schlechten wendet, was immer möglich oder unmöglich ist, wo sich Unglück an Unglück reiht.
Die strube Geschichte beginnt damit, dass ein gewisser Don Alvaro aus Versehen den herrischen Vater seiner Geliebten, mit der er durchbrennen will, erschiesst. Worauf der Sohn des Erschossenen, Don Carlo, ewige Rache schwört. Nicht nur gegen den unglücklichen Totschläger, sondern auch gegen seine Schwester. Unerkannterweise treffen Rächer und Verfolgter im Krieg aufeinander. Sie werden Freunde, bis die richtige Identität ans Licht kommt und das unerbittliche Schicksal seinen Lauf nimmt.
Das ist nur eine vereinfachte Zusammenfassung der schaurig-wirren Rache-Elegie, deren Story sich über viele Jahre hinzieht. Selbst Verdi scheint diesem Stoff nicht ganz ohne Sarkasmus gegenüber gestanden zu haben.
Ohne Ironie nacherzählt
Das Theater Basel hat mit Sebastian Baumgarten einen Regisseur mit dem Stoff betraut, der mit eigenwilligen Operninterpretationen auf sich aufmerksam gemacht hat und dafür ebenso gefeiert wie auch verdammt wurde. Für einen veritablen Skandal sorgte er, als er in Bayreuth Richard Wagners «Tannhäuser» 2011 in eine Biogasanlage verlegte.
Wer nun damit rechnete, dass dieser Regisseur in Basel nun auch Verdis strubes Spiel mit dem Schicksal zerzaust, sieht sich getäuscht. Baumgarten inszeniert «La forza del destino» ohne ironische Distanz. Er lässt den grauslichen Dingen ihren Lauf, den Emotionen ihren ungebrochenen Ausdruck. Und es ist im Theater Basel nicht oft zu erleben, dass die Sängerinnen und Sänger sich so ungestört an der Bühnenrampe aussingen dürfen.
Im Casino des Schicksals
Zusammengehalten wird die Geschichte, die als dramaturgische Herausforderung mit einer Vielzahl höchst unterschiedlicher Schauplätze aufwartet, durch die Bühnenausstattung. Bühnenbildnerin Barbara Ehnes hat auf der Drehbühne eine Art Casinolandschaft aufgebaut, mit einem riesigen Sammelsurium an symbolischen Details. Verstärkt durch üppige, fingerzeigartige Videoprojektionen von Chris Kondek verwandelt sich das Dekor vom feudalen Anwesen flugs in die verruchte Kneipe, vom Kriegsschauplatz ins Kloster und in die Klause des Einsiedlers.
Im wilden Stilmix des Dekors, das alle ästhetischen Geschmacksverwirrungen von Casinolandschaften enthält, spiegelt sich somit die strube Geschichte. Das zeigt sich auch in den Kostümen (Marysol del Castillo), wo Rockerkluft auf Cowboyoutfits und Baströcke auf Mönchskutten treffen.
Funktionierendes Konzept
Das Konzept, die Handlung ohne aufgesetzte Aktualitätsbezüge in einen symbolschwangeren Rahmen zu setzen, geht erstaunlich gut auf. Die Aktionen auf der Bühne entwickeln den Drive, den das immer wieder auftauchende berühmte Schicksalsmotiv in der Musik vorgibt.
Die strube Geschichte gewinnt dadurch an Konturen. Es zeigt sich, dass der Irrsinn der überbordenden Rachegefühle und der Kriegseuphorie, die schon bei Verdi mit einem gewissen Sarkasmus wiedergegeben wird, nicht zusätzlich kommentiert werden muss.
Fulminanter Auftritt von Elena Stikhina
Dass die Basler Premiere am Schluss mit frenetischem Applaus aufgenommen wurde, liegt aber zu einem sehr grossen Teil am musikalischen Eindruck, welche die Aufführung hinterlassen hat. Allen voran legt die junge Sopranistin Elena Stikhina einen fulminanten Auftritt hin. Von diesem Namen wird man noch hören.
Zu Recht vom Publikum gefeiert wurden auch das Sinfonieorchester Basel und der Musikalische Leiter des Abends, Ainars Rubikis, sowie Chor und Extrachor des Theater Basel, die ebenfalls Glanzpunkte zu setzen vermochten.