Dieses Schicksal klingt grausam schön

Jenny Berg, Mittelland-Zeitung (24.10.2016)

La Forza del Destino, 22.10.2016, Basel

Sebastian Baumgarten inszeniert Giuseppe Verdis Oper «La forza del destino» am Theater Basel

Giuseppe Verdis Oper «La forza del destino» ist ein Krimi. Es gibt Tote. Es gibt Verletzte, an Herz und Seele Kranke. Es gibt Grenzen, die unüberwindbar sind. Es gibt Krieg und Lügen, und es gibt die Kirche, die die Menschen vor sich selbst schützen will – und daran scheitert.

Diese Oper klingt auch wie ein Krimi – vom ersten Ton an. Sie beginnt mit einer Ouvertüre, die alle bedeutsamen musikalischen Themen schon im Voraus antönt. Das Sinfonieorchester Basel unter der Leitung von Ainars Rubikis spielt sie mit butterweichem Strich, sanften Farben, fast liebevoll melancholisch.

Ein verheissungsvoller Auftakt ist das – doch die Aufmerksamkeit wird schon hier mit aller Kraft auf die Bühne gelenkt. Ein buntes, blutiges Video-Spektakel (Chris Kondek) kündigt an, worum es in den kommenden drei Stunden gehen wird: Um die Macht des Schicksals, der niemand entrinnen kann.

Die Geschichte handelt, natürlich, von einer grossen Liebe. Leonora darf ihren Don Alvaro nicht heiraten, weil er fremdländischer Herkunft ist. Sie beschliesst, heimlich mit ihm zu fliehen, zögert jedoch, als er vor ihr steht. Sie, das ist die stimmgewaltige, alle Höhen und Tiefen bruchlos meisternde Sopranistin Elena Stikhina, im schlanken, knallroten Minikleid. Und er: Das ist der anfangs etwas angestrengte, später strahlende Tenor Aquiles Machado, ein kleiner, auch runder Mann, mit einer Frisur, die aus einer zweitklassigen Pop-Band der 80er-Jahre stammen könnte (Kostüme: Marysol del Castillo) – und optisch so gar nicht zu ihr passen mag.

Einsiedlerin und Soldat

Die schönsten Zweifel-Duette singend wird das Paar erwischt. Ein Schuss löst sich aus Don Alvaros Pistole, der erste Tote, Leonoras geliebter Vater ist zu beklagen. Der Fluch beginnt, die Flucht auch; das Paar verliert sich darin. Leonora lebt nach langer Odyssee als Einsiedlerin in den Bergen; Don Alvaro hofft als Soldat auf die alles erlösende Kanonenkugel.

Doch die kommt nicht; sondern die Rache in Form von Leonoras Bruder Don Carlo (Vladislav Sulimsky). Bis sich die beiden erkennen, schwören sie ewige Freundschaft und ziehen in den Krieg. Es begleitet sie ein Heer – der stimmlich brillante Theaterchor, der in seinen zahlreichen Auftritten stets etwas ungelenk auf der Bühne ausgestellt wird –, das inbrünstig «Es lebe der Krieg» singt. Sebastian Baumgarten inszeniert diese Szene so laut und unzweideutig, als sei Krieg etwas Vergangenes, das man grell und sexualisiert auf die Bühne holen könne.

Die Gegenwelt dazu ist das Kloster, und darin zieht sich Don Alvaro zurück – doch Don Carlo findet ihn. Mönch und Soldat duellieren sich just vor Leonoras Hütte. Getötet von den Händen ihres Geliebten stirbt ihr Bruder – und reisst mit letzten Kräften seine sündige Schwester mit in den Tod. Zurück bleibt Don Alvaro, der nach diesem Schicksal nur noch hämisch lachen kann.

«La forza del destino» ist eine spannende Oper, eine, die die Zeit dehnt und überspringt, wie es ihr gerade passt. Die die Unsicherheit der sich im Krieg befindenden Nation in zahlreichen Übersprungshandlungen verdeutlicht. Die fast schon wagnersche Leitmotive verwendet; schönste Melodien, wie nur Verdi sie komponieren konnte.

Die Inszenierung bebildert dabei übervoll, bedient sich bei Phallussymbolen, exotischem Touristen-Kitsch und kriegsverherrlichender Kunst. Das ist alles recht beliebig, deutet vieles an, ohne Stellung zu beziehen. Doch musikalisch ist diese Produktion wieder einmal auf allerhöchstem Niveau.