Klaus Schweizer, Basler Zeitung (28.11.2016)
Paul Dukas’ Oper «Ariane et Barbe-Bleu» im Theater Basel
Unsichtbar bleiben mussten bei dieser konzertanten Darbietung die unheimlichen Gewölbe, in die Blaubart, dieser zynische Menschenverächter in legendärer Zeit, seine früheren Frauen verbannt. Der Vorstellungskraft des Publikums vorbehalten blieb auch das ausführlich besungene Gefunkel prächtiger Edelsteine, das neue Opfer in die unterirdischen Verliese locken sollte.
Auf der Grossen Bühne des Theaters Basel verrieten lediglich sieben über Solistenpulten, Orchester und Chor schwebende Brautkleider, dass der finstere Burgherr seinen verführten Bräuten nur kurzes Liebes- und Eheglück zu gewähren bereit war. Überraschender Coup de théâtre kurz vor Ende der zweieinhalbstündigen Wiedergabe dieses «Conte en trois actes»: Zwei der sieben Gewänder entschwinden in den Bühnenhimmel.
Gewalt und Demütigung
Ariane, das jüngste Lustobjekt, will nicht Opfer sein. Sie durchschaut Blaubarts Machtspiele, weist den Sadisten mit starkem Willen in seine Schranken und verlässt mit ihrer Gefährtin hocherhobenen Hauptes den düsteren Ort von Gewalt und Demütigung. Doch geht sie in tiefer Trauer darüber, dass die fünf Vorgängerinnen ihr nicht in die Freiheit folgen wollen. Aus purer Trägheit, aus Angst vor dem rächenden Peiniger? Oder etwa aus dem verlorenen Wissen, was Freiheit und Selbstbestimmung überhaupt bedeuten?
Dem Theater Basel ist zu danken, dass es auf dem alternativen Weg einer sorgfältigen, wenn auch nur zweimal angesetzten Konzertwiedergabe an eine Rarität des französischen Repertoires erinnert, die – immer wieder wachgeküsst – doch im Halbschlaf weiter dahindämmert. Paul Dukas (1865–1935) verfiel keineswegs den verletzlichen Impressionismen der nur wenig älteren Debussy-Oper «Pelléas et Mélisande» (gleichfalls ein Sujet des Symbolisten Maurice Maeterlinck), noch nahm er die expressionistischen Härten des Bartók-Einakters «Herzog Blaubarts Burg» vorweg. Er kultivierte archaische Märchentöne und warf ein Netz prägnanter Leitmotive über das Geschehen.
Sprachnahe Lebendigkeit
Natürlich kannte er seinen Wagner, liebäugelte ab und an mit Strauss. Erik Nielsen, der souverän am Pult waltende Basler Musikdirektor, achtete im vokalen wie im orchestralen Bereich auf die scharfe Zeichnung all dieser charakterisierenden Momente. Er beschwor die sinfonische Dichte der Partitur und hielt doch gleichzeitig seine Solistinnen zu sprachnaher Lebendigkeit in der Gestaltung ihrer Partien an.
Enorme Ausstrahlung ging von den mit dramatischen Riesenrollen bedachten Protagonistinnen aus: Katarina Karnéus als Ariane und Eve-Maud Hubeaux als Begleiterin. Mehrheitlich dem Opernstudio OperAvenir gehören die engagiert singenden Damen und Herren in den Nebenrollen an. Als wiederum verblüffender Schachzug erwies sich der Einfall der Autoren, dass Blaubart, nur mit wenigen Sätzen präsent, in unwirkliche Ferne entrückt (Andrew Murphy). Henrik Polus zeichnete wie stets für die präzise Ausführung der kurzen, jedoch wirkungsstarken Interventionen des Theaterchores verantwortlich.