Reinmar Wagner, Südostschweiz (28.11.2016)
Mit Mozarts Oper «La Nozze di Figaro» hat das Berner Theater am Samstag sein frisch renoviertes Stammhaus eröffnet. Die Inszenierung von Markus Bothe erzählt vor allem lustvoll die Komödie. Sänger und Orchester zeigten sich unter der Leitung von Kevin John Edusei von ihrer besten Seite.
Seit drei Jahren ist man beim Berner Theater am Renovieren des Stammhauses, das 1904 eingeweiht wurde. Die Hauptphase des Umbaus mit neuer Bühnentechnik, akustischen Verbesserungen und einer neuen Bestuhlung mit deutlich mehr Beinfreiheit wurde in den letzten acht Monaten realisiert. Am Samstag nun wurde das in frischen Farben glänzende Theater mit Mozarts «Nozze di Figaro» und zahlreichen – zum Glück kurzen – Festreden eingeweiht.
Besonders originell ist die Wahl dieses Eröffnungsstücks nicht, ein «toller Tag» ist es zweifellos für das Haus, auch wenn diese Übersetzung von «la folle journée» eine falsche Bedeutungsnuance suggeriert.
Weitestgehend gelungen
Aber Mozarts «Figaro», der auf diesem Beaumarchais-Stück basiert, ist vor allem auch eine Oper, in der man sein Ensemble in zahlreichen dankbaren Partien präsentieren und mit der man sich als Chefdirigent einem hohen internationalen Vergleich stellen kann. Beides gelang dem Berner Theater mit dieser Produktion weitestgehend. Kevin John Edusei, bisher in Bern vor allem mit Musik des frühen 20. Jahrhunderts aufgefallen, bewies eindrücklich seine Kompetenz auch in diesem Repertoire.
Detailliert und überaus wach, in zügigen bis schnellen Tempi leitete er das Berner Sinfonieorchester. Dieses gab sich mit historischen Trompeten, Hörnern und Pauken ein originales Klangbild, wozu auch der Hammerflügel beitrug, der sogar abseits der Rezitative als wichtige Klangfarbe zur Geltung kam. Aber Edusei liess im hochgefahrenen Orchestergraben durchaus auch eine lustvolle Üppigkeit des Klangs zu, die sich in aufgerauten Akzenten Bahn brach, oder Kantilenen gerne vollblütig ausgestaltete.
Sorgen um die Stimmen seiner Sänger musste sich Edusei dabei nicht machen, die Protagonisten waren auch massiveren Orchesterwogen gegenüber resistent. Der Amerikaner Jordan Shanahan zeichnete die Titelrolle mit seinem kernigen Bariton stimmlich deutlich und sauber, mit einem sehr passenden Anflug von trotziger Aufmüpfigkeit und nur mühsam versteckter Gefährlichkeit. Todd Boyce, neu im Berner Ensemble, gelang als Graf Almaviva ein ebenso gelungenes, sowohl darstellerisch wie sängerisch vielseitiges Charakterporträt.
Etwas weniger glücklich war die Wahl der weiblichen Partien, besetzt ebenfalls mit neuen Ensemblemitgliedern: Bei der Susanna von Oriane Pons dominierten in einer insgesamt sauberen und beweglichen Stimme die hellen und spitzen Klangfarben etwas zu sehr, und bei der Gräfin von Sophie Gordeladze irritierten oft ein schnell flackerndes Vibrato, einige Intonationsprobleme und das stilistisch gerade im historisierenden Klangbild von Eduseis Mozart unpassende Ansteuern der Zieltöne von unten.
Lustvolles Komödientheater
Wenn man eine neue Bühnentechnik hat, will man auch ein bisschen davon zeigen. So entschied sich Kathrin Frosch für zwei komplette Stockwerke, die durch schwindelerregende Leitern verbunden sind, und verblüffte am Ende mit einem Wust farbig-schriller Papierschlangen aus dem Bühnenhimmel: eine wunderbare Chiffre für die mannigfaltigen Verwicklungen und Verwirrungen der verkleideten Akteure im nächtlichen Garten.
Der Regisseur Markus Bothe erzählt in diesen Räumen ohne viel aufgesetzte Zeigefingrigkeit auch von sozialem und gesellschaftlichem Auf- oder Abstieg respektive von den Ängsten und Hoffnungen, die damit verbunden sind, von der Liebe in den Zeiten des Rokoko und den Beziehungsmustern heutiger Teenager. Vor allem aber lässt er die Komödie zu ihrem Recht kommen, und das ohne die oft absurden Versteck- und Verkleidungsszenen allzu raffiniert plausibel machen zu wollen. Mit viel netten Details und souveränem Handwerk leitet er seine darstellerisch allesamt sehr begabten Sänger an zu unverstelltem, gerne auch mal lustvoll überzeichnetem Komödientheater.