Augen zu, Ohren auf

Hans Uli von Erlach, Blick (18.10.2005)

La Forza del Destino, 16.10.2005, Zürich

Kaum eine Verdi-Oper ist so reich an herrlicher Musik und so schwach an Handlung. In Zürich wird diese Diskrepanz noch zugespitzt: Ohrenschmaus kontra szenische Langeweile. Premiere war am Sonntag.

Liebe, Resignation, Tod, Fluch, Rache, Mord - in «La Forza del Destino» (Die Macht des Schicksals) ist alles drin, was eine Oper braucht.

Im Familiendrama verflucht der Vater seine Tochter Leonora, weil sie in Alvaro den falschen Mann liebt, der den gestrengen Papa dann auch erschiesst.

Auf der Flucht verlieren sich die Liebenden, finden sich aber zufällig im selben Kloster reuig wieder. Dort entdeckt sie Leonoras Bruder Carlo, der seiner Schwester und dem Vatermörder tödliche Rache geschworen hat. Doch Alvaro, inzwischen Mönch, ersticht Carlo, der vorher noch seine Schwester Leonora umbringt.

Verdi hat die Tragödie grandios vertont, ein Hit für Solisten und Chor jagt den anderen und das Orchester schwelgt mit. Nello Santi wird seinem Ruf als Verdi-Altmeister gerecht, dirigiert das Wechselbad der Gefühle mit musiktheatralischem Gespür. Dramatik bekommt effektvoll Schärfe, lyrische Süsse blüht als Kontrast wunderschön auf.

So differenziert waren nicht alle Protagonisten. Tenor Vincenzo La Scola hatte die extrem fordernde Partie des Alvaro erst nach und nach im Griff, dann aber glanzvoll. Joanna Kozlowska setzte als Leonora vor allem auf phonstarken Verdi-Schöngesang. Dass der junge Don Carlo mit Altstar Leo Nucci besetzt war, schien zunächst ziemlich verfehlt. Bald aber wurde klar: Hier singt ein grosser Könner, der einer Figur facettenreiches Leben einhaucht, auch wenn er nur dasteht.

Denn über mehr als statisches Herumstehen und Herumgehen kam Nicolas Joels Regie selten hinaus. Solches aneinander vorbei und an der Rampe Singen ist endgültig passé. Da helfen auch die dunklen, opulent klassizistischen Bühnenbilder von Ezio Frigerio wenig. Im Gegenteil.