„Das Land des Lächelns“ feiert am Opernhaus Zürich Premiere

Werner M Grimmel, Schwäbische (20.06.2017)

Das Land des Lächelns, 18.06.2017, Zürich

Man sollte sie „spielen, wie sie ist“, schrieb die Musikjournalistin Christine Lemke-Matwey über die Gattung Operette. Allerdings müsse man das dann „vom Theaterhandwerk her“ beherrschen. Der Zürcher Opernintendant Andreas Homoki hat sich an diese Prämisse gehalten, als er jetzt Franz Lehárs „Land des Lächelns“ am eigenen Haus inszenierte. Dass die Produktion von Chefdirigent Fabio Luisi musikalisch geleitet wird, zeigt zusätzlich, wie sehr man das Stück hier bewusst zur „Chefsache“ gemacht hat.

Homoki findet es wichtig, auch die „leichtere“ Seite von Musiktheater ernst zu nehmen und auf diesem Gebiet gute Unterhaltung zu bieten. Dazu gehöre eine gewisse Schamlosigkeit im Umgang mit genretypischen Klischees und der bewusste Verzicht auf „philosophisch schwere Kost“. Konsequent hat Homoki deshalb bei Lehárs später Operette auf Aktualisierung und demonstrative Zeitkritik verzichtet.

In Zürich konzentriert man sich auf die augenzwinkernde Feier des Trivialen an der Oberfläche, ohne die melancholische Komponente von Lehárs „Romantischer Operette“ zu unterschlagen, die sich im Ton stellenweise der großen Oper eines Puccini annähert. „Das Land des Lächelns“ kommt sogar ohne das gattungsübliche Happy End aus. Die junge Wienerin Lisa und ihr chinesischer Traumprinz Sou-Chong können letztlich so wenig zusammenkommen wie ihr Verehrer Gustl mit der Prinzenschwester Mi.

Der Text von Ludwig Herzer und Fritz Löhner-Beda basiert auf Victor Léons Libretto „Die gelbe Jacke“, das Lehár 1923 vertont hatte. Die Zweitfassung mit dem Titel „Das Land des Lächelns“ wurde 1929 in Berlin aus der Taufe gehoben. Zwei Wochen nach der Urauführung löste der New Yorker Börsen-Crash die berüchtigte Weltwirtschaftskrise aus. Nach der Machtergreifung Hitlers arrangierte sich Lehár mit den Nazis. Operetten jüdischer Komponisten wurden verboten, die Namen jüdischer Textdichter von „arischen“ Bühnenwerken getilgt.

Dein ist mein ganzes Herz

Während also „Das Land des Lächelns“ mit anonymem Libretto weiter gespielt wurde, starb Léon zwei Jahre nach dem „Anschluss“ Österreichs in einem Wiener Versteck. Herzer gelangte dank Schleppern 1938 in die Schweiz, wo er ein Jahr später starb. Löhner-Beda wurde 1938 in Dachau interniert und kam 1942 nach Auschwitz, wo er als Zwangsarbeiter geschunden und dann zu Tode geprügelt wurde.

Man muss diese Geschichte erzählen, weil sie ebenso zur Rezeption von Lehárs Operette gehört wie deren enge Verknüpfung mit der Karriere des Startenors Richard Tauber. Für ihn hat Lehár das Stück umgearbeitet und ihm den Hit „Dein ist mein ganzes Herz“ auf den Leib geschrieben. Die Reproduzierbarkeit im Radio und auf Schellackplatte war bei diesem Dreiminutenschlager für ein Massenpublikum bereits einkalkuliert. Bei Aufführungen zelebrierte Tauber stets Wiederholungen für Fans und nahm modernen Starkult vorweg.

In Zürich findet der „Mann mit dem Einglas“ einen würdigen Nachfolger. Piotr Beczala lässt als Sou-Chong im Frack und später im prachtvollen gelben Umhang Erinnerungen an Tondokumente Taubers und an den Traumtenor Fritz Wunderlich aufleben. Der polnische Sänger, früher langjähriges Mitglied des Zürcher Ensembles, hat alles, was diese Partie braucht. Haltetöne dehnt er strahlkräftig ohne Forcieren und stabil in der Intonation. Leise Phrasen klingen auch in höchster Lage bruchlos und frei. Seine Aussprache ist vorbildlich.

Julia Kleiter als kompromisslos-zickige Lisa neigt manchmal im hohen Register zu vokaler Schärfe, bietet aber insgesamt eine ebenbürtige Leistung. Rebeca Olvera überzeugt als Mi mit rollendeckender, gelegentlich etwas dünner Soubrettenstimme. Der Buffo-Tenor Spencer Lang (Gustl), Chene Davidson (Chang) und Martin Zysset als ironisch chargierender Obereunuch singen und spielen brillant. Der von Ernst Raffelsberger vorbildlich einstudierte Opernchor geht in Sachen Lautstärke bis an die Obergrenze.

Fernöstliches trifft auf Schlager

Fabio Luisi hat als junger Korrepetitor in Österreich lange genug Operettenerfahrungen gesammelt, um die richtige Balance zwischen pentatonisch kolorierter, fernöstlich eingefärbter Musik, dissonant gewürzter Spätromantik, Wiener Schlager und modischen Tanzrhythmen zu finden. Wolfgang Gussmann und Susana Mendoza (Bühne und Kostüme) verorten die Handlung in einer Revue der 1920er-Jahre. Befrackte Herren mit Zylinder, Damen mit Dauerwelle und trippelnde Chinesinnen mit Fächern tänzeln vergnügt auf einer Freitreppe.