Schön, aber konventionell

Tobias Gerosa, Luzerner Zeitung (12.12.2017)

Madama Butterfly, 10.12.2017, Zürich

Zum ersten Mal inszeniert Ted Huffman am Opernhaus Zürich. Ausgangspunkt für seine Interpretation der «Madama Butterfly» ist der leere Raum. Das wirkt ästhetisch und etwas langweilig.

«So beautiful!», schwärmten die Sitznachbarinnen in der Pause der jüngsten Zürcher Opernpremiere. Damit wäre die Neuinszenierung von Giacomo Puccinis japanischer Tragödie «Madama Butterfly» schon auf den Punkt gebracht. Tatsächlich: Michael Levines strahlend weisser Kasten, die gezielt eingesetzten stilbewussten Requisiten und das Licht von Franck Evin sind wunderschön reduziert. Mit stilisiert japanischen Kostümen (Annemarie Woods) und Bewegungen (ja, trippelnde Frauen), schafft die Neuinszenierung einen ästhetischen Rahmen, der in seinem klaren Stil ganz direkt anspricht.

Schon vor dem Fugato der Ouvertüre schiebt der Heiratsvermittler Goro die Rückwand erstmals auf wie eine japanische Papierwand, um eine Horde von identisch glatzköpfigen Dienern einzulassen, die die Leere mit dunklen amerikanischen Möbeln einzurichten beginnen. Der Marineoffizier Pinkerton hat das Haus gemietet – und mit ihm die fünfzehnjährige Cio-Cio-San, genannt Butterfly. Trotz zeremoniellem Ehevertrag und pittoreskem Familienanschluss: Für ihn klar eine Etappe mit dem hübschen japanischen «Püppchen», so lange er hier stationiert ist. Für sie hingegen, von der Musik klar und reich gezeichnet: Liebe – und Aufstiegschance.

Nebenfiguren bleiben blass

Giacomo Puccini ging es wohl eher ums exotische Kolorit, das er in der Partitur meisterhaft einfing, was die Urfassung, die 1904 an der Scala durchfiel, noch betont. Dirigent Daniel Rustioni unterstreicht diese Modernität Puccinis gekonnt, mit Zug und ­interessanter Mischung von Süsse und Aufgerautheit – leider oft aber lauter als nötig. Drama ist auf jeden Fall drin in dieser Interpretation. Aber dem Regisseur Ted Huffman geht es offenbar primär um Ästhetik und eine schöne Oper. Das ist, nach der optischen Begeisterung, etwas wenig. Die Stilisierung des Anfangs verpufft nach dem ersten Akt. Die Szenen, in welchen Chor und Diener im ersten Teil ein­frieren, hören einfach auf. Die Schattenspiele an der Wand wirken zufällig. Und selten hat man so unmotivierte Nebenfiguren gesehen (Butterflys späterer Verehrer Yamadori oder ihr Kind).

Immerhin gelingt Brian Mulligan, ein amerikanischer Konsul, der nicht nur vokal überzeugt, sondern auch als Figur, die das Elend kommen sieht. Saimir Pirgus Pinkerton rasselt trotzdem mit wehenden Tenor-Fahnen hinein. Man hat den Eindruck, die lyrischeren Passagen der Partie lägen ihm besser, aber auch in den grossen Ensembles strahlt sein Tenor. Schade, gibt ihm das Stück nicht mehr Entwicklungsmöglichkeiten. Die sind der Titelfigur vorenthalten.

Der Sängerin fehlen noch ein paar Klangfarben

Svetlana Aksenova beeindruckt mit ihrer Technik und perfektem Fokus. Was der russischen Sopranistin, die ihre Karriere am Opernstudio des Theaters Basel startete, zur ganz grossen Puccini-Sängerin noch fehlt, sind ein paar Farben und Zwischentöne mehr. Damit könnte sie auch die szenische Reduktion, wie sie diese Madama Butterfly anstrebt, noch besser füllen. Ihr nimmt der Wegfall der grossen Schluss­szene aus der überarbeiteten Version den grossen sängerischen Höhepunkt, was sie szenisch nicht kompensieren kann. Das ist nicht mehr «so beautiful», die Neuinszenierung insgesamt aber ist so auf den Punkt gebracht.