Katharina von Glasenapp, Schwäbische Zeitung (05.02.2018)
Musikalischer Glanz und szenische Reduktion für Mozarts „Idomeneo“ am Opernhaus Zürich
Es ist Mozarts erste Meisteroper, dennoch hat es „Idomeneo“ vielleicht immer noch ein bisschen schwer, die Gunst des Publikums zu gewinnen. Hatte Nikolaus Harnoncourt in Zürich vor acht Jahren gemeinsam mit dem damaligen Ballettchef Heinz Spoerli zusammengearbeitet, so steht nun Giovanni Antonini, auch er als Blockflötist und Dirigent ein Originalklangspezialist, am Pult des hauseigenen Barockorchesters „La Scintilla“. Plastische Orchestersprache, überzeugende Sänger, der intensiv mitgestaltende Chor und eine stimmige, klare Inszenierung wirken in dieser sehr dichten Opernpremiere am Opernhaus Zürich zusammen.
Mozart hatte „Idomeneo“ zur Faschingssaison des Jahres 1781 im Auftrag des neuen Kurfürsten Carl Theodor für das Münchner Cu-villiés-Theater komponiert: Er war glücklich, aus Salzburg wegzukommen, freute sich über die hervorragenden Musiker, die der Kurfürst aus seinem früheren Orchester in Mannheim mitgebracht hatte – die Briefe an den Vater zeigen, wie sehr sich der 24-jährige Komponist mit dem Thema auseinandergesetzt hat.
„Idomeneo“ führt in die Zeit nach dem trojanischen Krieg, die Hauptperson kehrt keineswegs als Held, sondern als gebrochener Mensch zurück. Um im Seesturm zu überleben, hat er das unselige Gelübde abgelegt, dem Meeresgott Neptun den ersten Menschen zu opfern, der ihm an Land, der Insel Kreta begegnet: Natürlich ist es der eigene Sohn Idamante, den er entsetzt von sich stößt. Natürlich entstehen unlösbare seelische Konflikte, verbunden mit Liebesverwirrungen. Erst in einer der letzten Szenen bringt eine göttliche Stimme die Lösung, indem Idomeneo von seinem Gelübde entbunden wird und dem jungen Paar Idamante und Ilia das Königreich Kreta überlässt.
Mozart komponierte wunderbare, tragische, höchst emotionale Musik, getragen von der Tradition der „Opera seria“, der ernsten Oper. Die Menschen sind zerrieben von Hoffnung, Eifersucht, Pflicht, Opferbereitschaft, Ehre und Liebe. Lyrische Momente, etwa in den Szenen der gefangenen Prinzessin Ilia, die Idamante liebt, wechseln sich ab mit flammenden Koloraturen, wenn sich Idomeneo gegen sein Schicksal auflehnt oder Elettra von Eifersucht gequält wird. Die Helden der griechischen Geschichten werden menschlich, die Seelendramen spiegeln sich nochmals im Orchester: mit geschärften Akzenten und ahnungsvoll dunklem Klang schon in der Ouvertüre, in virtuosen Bläsersoli und vor allem in den orchesterbegleiteten Rezitativen, die innerhalb weniger Takte eine Fülle von Emotionen übermitteln. Giovanni Antonini und das Orchester lassen Mozarts Partitur schimmern und leuchten, natürlich auch dramatisch erbeben.
Konzentration tut dem Werk gut
Joseph Kaiser, imposant in Stimme und Statur, durchlebt die Gewissenskonflikte der Titelfigur mit großer Intensität und dramatischem Furor. Berührend weich und innig singt die junge Hanna-Elisabeth Müller die Partie der Ilia, Anna Stéphany gestaltet die Hosenrolle des Idamante mit Wärme und Hingabe. Guanqun Yu ist eine leidenschaftlich liebende und aufbegehrende Elettra mit entschlossen funkelnden Koloraturen, und selbst die kleine, freilich mit anspruchsvollen Arien bedachte Partie des Arbace ist mit Airam Hernandez gut besetzt.
Die holländische Regisseurin Jetke Mijnssen belässt dieses „Dramma per Musica“, so Mozarts Gattungsbezeichnung, in ihrer Statik, vertraut auf die Rhetorik und Aussagekraft der Musik, hält sich zurück mit szenischer Überaktivität – sieht man ab von der stets präsenten Pistole! Dazu passt der graue, von Franck Evin ausgeleuchtete Betonbunkerraum von Gideon Davey, der durchaus beklemmend wirkt und sich für die Chorszenen öffnet. Das mag zwar statisch wirken und die Personen als Gefangene ihrer selbst zeigen, doch die Konzentration tut dem Werk gut.