Tobias Gerosa, Luzerner Zeitung (29.05.2018)
Die Ouvertüre gleich zweimal: Die Premiere von Giuseppe Verdis «La forza del destino» am Opernhaus Zürich begann mit einer Bühnenbildpanne und darum einem zweiten Beginn - und wurde nach deren Behebung leider nicht besser. Intendant und Regisseur Andreas Homoki erntete für sein Zuviel und Zuwenig Buhrufe. Sängerisch gibt's wenig Glanz.
Eine interessante Idee, Giuseppe Verdis «La forza del destino» (Die Macht des Schicksals) als Familientraumageschichte und Albtraum zu interpretieren und dafür Vater und Priester zusammenzulegen. Der Ansatz, die Buffo-Figuren aus mehreren kleinen Rollen zusammengefasst als Spielleiter die Strippen ziehen zu lassen, könnte die krude Handlung allenfalls erhellen. Die Kriegschöre – «Rataplan pim pumpum» oder «viva la guerra» – als groteske Zombieshow, warum nicht? Jedenfalls beweist der Chor unter Janko Kostelics Leitung musikalische Qualität.
An Ansätzen fehlt es nicht in der Neuproduktion am Zürcher Opernhaus, die Intendant Andreas Homoki in Szene setzte. Nach der Holliger-Uraufführung «Lunea» seine zweite Inszenierung an seinem Haus in kurzer Zeit.
Als hätte er alle Ideen irgendwie zusammengemischt
Ist Verdis komplizierte Dreiecks- und Familiengeschichte mit obligatem Pfarrer, strotzend vor unlogischen Sprüngen und kurzen Bildern und Auftritten, überhaupt inszenierbar? Sicher nicht realistisch.
Das hat auch Homoki gemerkt, aber es wirkt, als hätte er deswegen alle alternativen Ideen irgendwie zusammengemischt, die Figuren in grelle hispanisierende Kostüme gesteckt und dann gehofft, dass sich der Rest selber ergebe, wenn nur die vier grossen Türen von Hartmut Meyers Bühnenbild oft genug auf und zu gehen oder einen klobigen gestreiften Würfel bilden, um den die Akteure herumlaufen und ganz überrascht um die Ecken schauen können.
So streifen sie ausgiebig über die gestreifte Bühne. Und sie fuchteln mit Messern und Pistolen und wissen, wann sie effektvoll zu Boden sinken sollen. Warum? Scheinbar nicht so wichtig (choreografische Mitarbeit: Der künftige St. Galler Tanzchef Kinsun Chan) – repertoiretauglich, nennt man das manchmal: Andere Sänger können leicht einsteigen. All die unterschiedlichen Ansätze versanden alle oder bleiben Stückwerk, wo sie halt gerade vielleicht etwas passen.
Das kannte man in ein bisschen anderem Gewand vor Homokis Direktion in Zürich schon zur Genüge. Da hätte man sich oft mit den reinen sängerischen Leistungen etwas trösten können. Aber die sind jetzt durchzogen – wobei die szenische Unentschlossenheit eben auch nicht hilft, den Figuren Konturen zu geben.
Verdi-Singen als hörbare Schwerstarbeit
Solid: George Petean als rächender Bruder Carlo, Christof Fischesser als Vater und Pater Guardiano und J’Nai Bridges als Preziosilla, auch Einspringer Gezim Myshketa als Melitone.
Marcelo Puente, bei seinem Auftritt wie aus einem Western verkleidet und als Halbindianer natürlich mit einem Zöpfchen ausgestattet, zeigt, wie Verdi-Singen als hörbare Schwerstarbeit nicht funktionieren kann. Dazu kommen beschränkte gestalterische und szenische Möglichkeiten.
Sehr gute Momente schafft nur Hibla Gerzmava als Leonora, die mit schönen Linien, toller unterer Lage bezaubert und aus dem Piano gestaltet, aber in den Spitzentönen wird das Vibrato sehr gross. Das auch, weil Fabio Luisi vor der Philharmonia Zürich einen sehr lebendigen, differenzierten, aber auch lauten Verdi-Ton produziert. Aber ohne szenische Entsprechung macht der wenig Spass.
Auf dem Stück laste seit der Uraufführung ein Fluch, entschuldigte Homoki die anfängliche Panne, die zur zweiten Ouvertüre führte («Wir beginnen einfach nochmals»). Es ist zu befürchten, der Fluch geht tiefer.