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Isabel Münzner, Schweiz am Wochenende (15.09.2018)

King Arthur, 13.09.2018, Basel

Das Theater Basel eröffnet die Saison mit einem fulminanten Projekt aller drei Sparten: «König Arthur»

«König Arthur», die Semi-Oper von Henry Purcell und John Dryden, erzählt vom Krieg zwischen den Sachsen und Briten. Im Zentrum stehen der deutsche Oswald und sein Widersacher Arthur, die mithilfe von Zauberern und Geistern nicht nur um das Territorium, sondern auch um die Liebe der blinden Emmeline kämpfen.

Doch um nicht Konventionen des späten 18. Jahrhundert zu reproduzieren, hat der Hausdramaturg des Theater Basels, Ewald Palmetshofer, eine Neudichtung geschrieben, die besser nicht sein könnte. Mit grösstem Sprachgeschick ist es ihm gelungen, den Rhythmus der Musik aufzugreifen und in einem alten, shakespeareähnlichen Duktus Neues zu beschreiben: «Es war einmal / so fängt auch das hier an / Wenn ihr erlaubt / um zu erinnern, / was nicht ist / dann fängt es an / und eine Welt / erscheint.» So werden wir vom Zauberer Merlin im Prolog empfangen und darauf vorbereitet, dass nun Illusionen folgen.

Und so ist es auch: Die Bühne ist als Varieté aufgebaut. Vom Schnürboden hängen lange Vorhänge hinab, die hoch- und runterfahren und immer wieder neue Räume, Grenzen und Sinnzusammenhänge konstruieren. Einmal da – schon wieder verschwunden.

Die Kraft der drei Sparten

Für die Illusionen hat das Theater Basel den Regisseur Stephan Kimmig aufgeboten. Es ist seine erste Produktion an diesem Haus. Kimmig schafft es, den Witz, die Raffinesse und die grossen Themen aus Palmetshofers Text transparent zu machen, nichts ist überflüssig oder undurchdacht. Und Kimmig schafft es, mit dem Text auf ganz aktuelle Probleme zu verweisen: So erinnert «Sachsenland», der von bedrohlich wirkenden Trommelschlägen begleitete Kampfesruf des Chores, an die erst kürzlich erfolgten Berichterstattungen aus Chemnitz: Menschen gehen protestieren, einzig um klar zu machen, wer sie selbst und wer die anderen sind.

Um all die Figuren und das Gesagte zu verstehen, hilft die Kombinationskraft der drei Sparten, die in diesem Projekt zusammenkommen. Was mit der Sprache nicht gesagt werden kann, erklingt in der Musik, was nicht ersungen werden kann, wird ertanzt. So sehen wir die Tänzer, wenn über Krieg erzählt wird, sich aggressiv schüttelnd und selbst schlagend. Oder hören das La Cetra Barockorchester Basel unter der Leitung von Christopher Moulds im traurigen Moll, wenn Merlin als Zukunftswissender stumm auf der Bühne verharrt.

Es ist eindrücklich, wie die Übergänge zwischen den Sparten Ballett, Oper und Schauspiel funktionieren. Die Sätze und Sinneinheiten werden zwischen den Handelnden untereinander oder zwischen Orchester und Bühne hin und her geschoben.

Es ist leicht zu erkennen, dass Regisseur Kimming aus dem Sprechtheater kommt: Das Schauspiel und der Text nehmen im Gegensatz zur Musik wesentlich mehr Platz ein – inhaltlich und formal. So werden die Sänger als Double der Schauspieler bezeichnet. Auch der freie Umgang mit der Komposition – es schleicht sich unter anderem die Arie «O let me weep» von Purcells anderer Semi-Oper «Fairy Queen» ein – zeigt, dass das Sprechtheater im Vordergrund steht.

Spieler, die verzücken

So sind es die Schauspieler, die in ihrer Form und Sprache glänzen. Erwähnt sei hier Carina Braunschmidt, die als Luftgeist Philidel mit ihrer naiv-klamaukigen Art das Publikum grandios verzückt. Oder Max Mayer als Guillamar, Zauberer der Sachsen, der mit Gestik und Mimik dem Publikum unaufhörlich neue Emotionen bietet. Lisa Stiegler wehrt sich als Emmeline mit Wucht gegen die Übergriffe ihrer Verehrer und sucht nach einer eigenen Identität. Elias Eilinghoff stellt als Arthur laut und innig die Frage des Seins. Mit Inbrunst schreit, zweifelt, fleht er. Es ist diese krasse Präsenz der Spieler und der Sprache, an der man sich ergötzt.

Und dann ist da noch Steffen Höld, der zum friedvollen Ende als Merlin an die Vergänglichkeit mahnt. Denn für alle Menschen gilt das Gleiche: Nichts währt ewig. Eindringlich und klar ist das Gesagte: Wesensmässig sind wir alle gleich. Und so werden wir, ein jeder für sich, in das Dunkle des Theatersaals entlassen.

Geradezu seltsam, wie sich das Stück nach vier Stunden verflüchtigt. Man will verharren in der Sprache, weiter an den Lippen der Schauspieler kleben. Palmetshofers Merlin würde es wohl so sagen: «Man wundert, warum all dieser Rhythmus verschwunden hier / im Alltag da.» Man braucht mehr davon: Mehr Vielfalt und mehr Spartenübergreifendes!