Züricher Opernhaus zeigt Dada in Dubai

Manuel Brug, Die Welt (15.12.2006)

L'Étoile, 26.11.2006, Zürich

Der Raritätensammler David Pountney ist der richtige Regisseur für "L'Etoile": Er inszeniert ihn, allzu gefällig stachellos allerdings, als Ausstattungsspektakel in einem Shoppingparadies Absurdistan. Zwischen sternenfunkelnden Wänden, Goldpalmen und Lampenkometen tummeln sich textilfreie Automiezen und Schleichereulen, getigerte Löwen und schwarze Dromedare.

Es gibt kein Opernhaus diesseits der Alpen, wo soviel uninspiriert aufbereitete Vokalschinken als Herumsteh-Sängerfeste zelebriert werden wie in Zürich. Aber die bienenfleißige Bühne Alexander Pereiras hat - dank der 16 Premieren - gleichzeitig so viele Raritäten im Repertoire wie kein anderes Musiktheater weltweit. Letztere freilich meist nur kurze Zeit. Und so heißt es wieder die Beine in die Hand nehmen und ab an die Limmat - für eine komische Kostbarkeit der französischen Oper: "L'Etoile" von Emmanuel Chabrier.

Dessen Stern strahlt zu Unrecht nicht mehr hell, doch glimmert er dezent von Zeit zu Zeit. Letzte Saison hat Lyon mal wieder seine komische Krönungsoper aus Polen, "Le Roi malgré lui" einstudiert, John Eliot Gardiner macht sich seit Jahren für ihn stark. Die Oper "Gwendoline" liegt in einer ordentlichen Einspielung vor, und auch die Operette "L'Etoile" scheint wieder in der Umlaufbahn auf. Für 2008 ist eine Neuproduktion an der Berliner Lindenoper mit Magdalena Kozena geplant.

In Zürich aber heißt der Star neuerlich Gardiner. Der dirigiert dieses luftig duftige Musiksoufflée von 1877 - im Geiste Offenbachs, aber viel besser orchestriert - wie bissfestes Baiser, schaumig, schlürfig, aber auch mit knackig schnalzender Rhythmik und pikanter Melodiefüllung. Gar köstlich mundet diese szenisch-gestische Partitur mit so sprechenden Nummern wie Rosen-, Pfahl- und Kitzel-Couplet, Stern-Ballade, Entführungsterzett, Kuss-Quartett und Chor der Beileidsbezeugungen.

Das alles sind herrlich klingende Nichtigkeiten, allein dazu bestimmt, absichtslos zu gefallen. Kein Wunder, dass Bayreuths nicht eben geschmackssichere hohe Frau Cosima das Werk des vermögenden Wagnerianers Chabrier vernichtend abkanzelte: "Das ist nun von A bis Z Schund! Diese Gemeinheit und Abwesenheit eines jeden Gedankens! Wozu Chabrier nach Bayreuth gekommen ist, bleibt wohl ein Rätsel."

Felix Mottl hingegen schätzte den vor allem in den Pariser Salons musizierenden Chabrier (1841-1894) sehr. Wie Verlaine und Proust, später auch Debussy, Ravel und Dukas. Wie letzterer ist er als Ein-Werk-Komponist der Orchesterrhapsodie "España" im Konzertalltag gegenwärtig.

Das Paris der Weltausstellungen labte sich freilich nicht nur an spanischer Folklore, sondern auch an exotischeren Tönen. Wie sie in "L'Etoile" generös gestreut sind. Die absurd-absichtslose, orientalisch unterfütterte Handlung erzählt vom Trödler Lazuli, den sich König Ouf I. für die jährliche Hinrichtung auserkoren hat; was er aufschieben muss, da der Hofastronom dessen Todesdatum mit dem des Königs verbunden sieht.

Natürlich ist der Raritätensammler David Pountney der richtige Regisseur für diesen famosen Spaß. Er inszeniert ihn, allzu gefällig stachellos allerdings, als Ausstattungsspektakel in einem Shoppingparadies Absurdistan. Johan Engels (Bühne) und Marie-Jeanne Lecca (Kostüme) haben sternenfunkelnde Wände, Goldpalmen und Lampenkometen aufgefahren, darin tummeln sich fast textilfreie Automiezen und Schleichereulen, getigerte Löwen und schwarze Dromedare: Dada in Dubai. Böse Witze mit tanzenden Leichentragen und schrillem Pomp funèbre de Luxe sind allerdings die Ausnahme. Meist bleibt Pountney im komischen Rahmen, die Dialoge wurden aber spritzig aktualisiert.

Jean-Luc Viala und Jean-Philippe Lafont verbreiten als Astronom und König dusseligen Bassbariton-Witz, Marie Claude Chappuis (Lazuli) und Anne-Catherine Gillet (Laloula) sind ein vitales, vokal glitzerndes Liebespaar. Es lebe die Sinnfreiheit der Operette. Wir haben sie nötiger denn je.