Wahn, Lust und Manipulationen

Jan Strobel, Tagblatt der Stadt Zürich (10.04.2019)

Manon, 07.04.2019, Zürich

«Manon», Oper in fünf Akten und sechs Bildern von Jules Massenet, im Opernhaus Zürich.

Es wird, dies vorneweg, ein sehr langer Opernabend, ein rauschender und berauschter dazu. Manon Lescaut, die junge Frau, die eigentlich ins Kloster abgeschoben werden sollte, verdreht stattdessen den Männern, allen voran dem reichlich naiven Chevalier des Grieux, den Kopf. Manon versteht es, frei jeglicher Empathie, ihre Begehrlichkeiten auszuspielen für ihr Ziel, ein rauschhaftes Leben in Paris zu führen. Was Liebe und Bindung bedeuten, das kann sie nicht spüren. Dabei leidet sie durchaus – nicht für andere, sondern für sich selbst. Die Geschichte der Manon ist ein Klassiker der französischen Literatur und in Massenets Adaption, 1884 uraufgeführt, ein zeitloser Opernhit. Die Zürcher Inszenierung von Floris Visser kommt angenehm eingängig daher, etwa wie der Historienfilm eines Luchino Visconti, im Dekor des neurotischen Fin de Siècle. Vor dem Publikum blättern sich Szenen aus einem vergangenen Paris auf. Richtig in emotionale Fahrt kommt das Drama allerdings etwas zäh. Elsa Dreisig als Manon und Piotr Beczala als Chevalier de Grieux überzeugen, verkörpern aber den Wahn und die Lust am Wahn an diesem Abend leider etwas zu verzagt.