Elisabeth Schwind, Südkurier (10.12.2019)
Am Zürcher Opernhaus inszeniert Christof Loy Donizettis komische Oper mit ihren bitteren Untertönen als Generationenkonflikt. Ein spielfreudiges Ensemble macht das zum Genuss
Als 70-jähriger Mann noch einmal heiraten? Und zwar eine junge, hübsche Frau? Während es in feudalen Zeiten gang und gäbe war, dass sich alte, mächtige Männer eine junge Frau nahmen, setzen sie sich heute dem Verdacht der Selbstüberschätzung aus. Offenbar glauben sie, so der Vorwurf, sich an der Seite einer jüngeren Frau selbst zu verjüngen. Was ihnen offenbar nicht gestattet ist. Beispiele für Beziehungen dieser Art gibt es - von Donald Trump bis zu Mick Jagger - zwar zur Genüge, fast nie aber ohne Begleitung küchenpsychologischer Kommentare der Öffentlichkeit. Dass das so ist, bewertet der Psychologe Wolfgang Schmidbauer als Merkmal der bürgerlichen Gesellschaft. Sie stellt die romantische Liebe über die feudale Ordnungsehe.
Sieg des bürgerlichen Ehebegriffs
Das gilt auch für Gaetano Donizettis komödiantische Oper „Don Pasquale“, die -1843 uraufgeführt - den Sieg der bürgerlichen über die feudale Ehe feiert. Hier ist es die Titelfigur, ein alter, reicher Mann, der von der Ehe mit einer jungen Frau träumt. Allerdings nicht nur, weil er sich diesem Ansinnen erotisch noch gewachsen fühlt, sondern weil er damit auch seinen Neffen Ernesto enterben und aus seinem Haus treiben will. Der nämlich wagt es, die Frau, die der Onkel für ihn ausgesucht hat, abzulehnen mit dem Argument, sein Herz sei bereits an eine andere Frau vergeben - an eine, die wiederum der Onkel aus Statusgründen ablehnt.
Zwei Rivalen
Regisseur Christoph Loy betont in seiner Inszenierung für das Opernhaus Zürich den Generationenkonflikt, der in diesem Stoff steckt. Schließlich gestaltet sich die Ausgangssituation so, dass nur einer der beiden Männer heiraten kann, entweder der junge oder der alte. Sie sind Rivalen. Anfangs scheint Don Pasquale am längeren Hebel zu sitzen. Er hat das Geld und die Macht. Doch die junge Generation (zu der bei Loy auch Don Pasquales Vertrauter Dottore Malatesta gehört) schlägt zurück. In einer Intrige wird dem alten Don Pasquale ausgerechnet Emestos Geliebte Norina als heiratswilliges Heimchen vorgestellt. Don Pasquale ist von der schüchternen Schönheit sofort eingenommen. Doch kaum ist die (Schein-)Ehe geschlossen, entpuppt sich die junge Ehefrau als veritable Bestie, verschleudert in Sekundenschnelle Don Pasquales Vermögen und treibt ihn zur Verzweiflung. Schließlich will Don Pasquale nur noch eines: die Scheidung. Sogar Ernestos Liebesehe ist er bereit zu akzeptieren, wenn dessen Frau nur die eigene aus dem Haus treibt.
Bittere Moral
Der Rivalenkampf ist gewonnen. Und die Moral, die Norina dem geschlagenen Don Pasquale auftischt, ist hart: „Ganz schön dumm ist, wer sich im hohen Alter noch vermählt; er handelt sich nichts anderes als Ärger und Kummer ein.“ Der alte Herr tut einem da schon ganz schön leid. Johannes Martin Kränzle spielt ihn glaubhaft als ungelenken, mehr einsamen als draufgängerischen Mann mit Glatze und Haarkranz (Kostüme: Barbara Drosihn), der am Schluss zerknirscht einsehen muss, dass er sich gegen die geballte Jugend nicht mehr durchsetzen kann.
Den bitteren Untertönen in dieser Komödie, die auch in Donizettis Musik immer wieder hörbar sind, gibt Loy ihren Raum - lässt darüber hinaus aber auch Komik in ganz klassischem Sinne komisch sein. Er tut es in einem mehr oder weniger zeitlosen Setting (Bühne: Johannes Leiacker), mit einer exzellenten Personenführung und einem nicht nur spielfreudigen, sondern auch spielfähigen Ensemble. Dazu zählt neben Kränzle die in jeder Hinsicht fabelhafte Julie Fuchs als Norina. Mit ihrem beweglichen Sopran meistert sie jede virtuose Partie und hat sich auch schon in anderen Produktionen wie Rossinis „II Turco In Italia“ in die Herzen der Zuschauer gespielt. Als Norina spielt sie nicht alleine mit Don Pasquale, sondern ebenso mit den anderen Männern, die sie verehren - und das sind im Grunde alle. Selbst Ernesto kann sich nicht sicher sein, wie ernst sie es mit ihm meint.
Der chinesische Tenor Mingjie Lei, der auch schon in Stuttgart den Ernesto gesungen hat, überzeugt mit seiner eigentlich unitalienischen, aber wunderbar klaren und geschmeidigen Stimme als Don Pasquales Neffe. Konstantin Shishakov ist der durchtriebene Malatesta. Und Enrique Mazzola leitet die Philharmonia Zürich mit Verve und Temperament durch Donizettis schwungvolle Partitur und wird, ebenso wie das Ensemble, vom Publikum mit Begeisterungsstürmen honoriert.