Martina Hunziker, Berner Zeitung (15.10.2019)
Das mit der komischen Oper haben sie wörtlich genommen: Die Inszenierung von Konzert Theater Bern von Gioachino Rossinis «Il Barbiere di Siviglia» unter der Regie von Cordula Däuper buhlt um die Lacher im Publikum. Es ist ein Abend mit fast zu viel Spass.
Blaues Blut in gelben Hosen, vermeintliche Unschuld im grünen Rock. Es ist ein farbenfrohes Bild, das in der komischen Oper «Il Barbiere di Siviglia» von Gioachino Rossini auf der Bühne des Berner Stadttheaters zu sehen ist. Die Inszenierung in der Regie von Cordula Däuper nimmt die humoristische Veranlagung des Werks ernst und zieht einen roten oder eben kunterbunten Faden voller Pointen durch die drei Akte.
Selbsterklärend
Dass dies kein Abend wird, der Interpretationen auf der Metaebene fordert, wird von Beginn weg klargestellt. Wie in einer TV-Unterhaltungssendung stellen sich die Figuren mit Name und Steckbrief vor: Das steinreiche Mündel Rosina, das unglücklich in der strengen Obhut des alten Mediziners Bartolo auf ihren edlen Ritter wartet; Bartolo, der mittels Heirat an das Vermögen von Rosina zu gelangen versucht; der Graf Almaviva, blaublütig, divenhaft und gleichzeitig heillos verliebt in Rosina. Und mittendrin, oder eher als Showmaster vornedran, der gewitzte Barbier Figaro, mit dessen Hilfe Almaviva seine Holde retten will. Alles klar? Ja, am Ende der Ouvertüre ist wirklich alles klar.
Kunterbunt
Und dann die Farben (Kostüm: Pascal Seibicke): Figaro tritt auf im hautengen roten Overall mit Schlangenlederaufdruck, seine Scheren steckt er auf beiden Seiten in Gürteltaschen wie ein Cowboy seine Pistolen. Don Bartolo, mit perfekt frisiertem Moustache, trägt violette Cordhosen und einen lila Strickpullover, während der Graf Almaviva sich ganz in feurigen Gelb- und Orangetönen zeigt. Die Farbpalette ist bunt, die Kostüme voller Details, und auch hier ist eigentlich alles klar: Die Farbsymbolik der Charaktereigenschaften liegt förmlich auf der Hand. Komplexe Charaktere gehören ohnehin nicht in Rossinis Werk.
Das ist also die bunte Spielwiese, auf der sich das Ensemble austoben kann. Die Sängerinnen und Sänger legen dabei eine mitreissende Energie an den Tag. Jeder der Charaktere ist pointiert umgesetzt, stereotypisch und bisweilen nahezu schmerzlich überzeichnet. Eleonora Vacchi verkörpert Rosina als ziemlich versautes Mädchen, das Rainer Zaun als schrulliger Don Bartolo vergebens in Schach zu halten versucht. Todd Boyce gibt einen pikanten Figaro, der sich schon nach seiner ersten Arie selbstbewusst im Applaus des Publikums suhlt. Für viele Lacher sorgt ausserdem der Herrenchor Konzert Theater Bern, der unter anderem als übereifriges Bühnenorchester mit Kartoninstrumenten auftritt und dabei das Musikertum gehörig auf die Schippe nimmt.
Rock’n’Roll & Co.
Das Ensemble ist von Überschwang getrieben und verlangt durchwegs nach hohen Tempi, über die es in wenigen Momenten durch Rossinis zungenbrecherische Textsetzung fast selber stolpert. Darunter leidet die gesangliche Leistung jedoch kaum – und konsequenterweise findet auch dies Eingang in die Inszenierung. Nicht selten schläft einer während einer Arie ein oder signalisiert dem Kapellmeister, dass es doch bitte etwas schneller gehen möge. Da ist auch Rossinis Werk an sich nicht gefeit vor Schabernack.
Die geforderten Tempi fängt der Kapellmeister Matthew Toogood mit dem Berner Symphonieorchester tadellos auf. Es begleitet geschmeidig und nur ganz selten etwas übermütig. Das sei ihm angesichts des wilden Treibens auf der Bühne verziehen. Ein bisschen Rock’n’Roll darf ja auch sein. Und von wegen Rock, Pop und Jazz: Nicht unwichtig ist Sonja Lohmiller am Hammerklavier, die von der kleinen Nebenbühne aus die Sängerinnen und Sänger stringent durch ihre Rezitative begleitet. Sie lässt es sich nicht nehmen, das Geschehen ab und zu mit kurzen Zitaten aus ganz anderen Musikstilen zu kommentieren
Man ist wahrlich bestens unterhalten. Dabei stellt sich nach gewisser Zeit die Frage, ob die Inszenierung die Spannung zu halten vermag, die mit der hohen Pointendichte von Beginn weg etabliert wird. Am Schluss klatscht man, lacht immer noch, und merkt: Ja, es hat funktioniert.