König Roger wird schwul

Christian Berzins, NZZ am Sonntag (08.12.2019)

Król Roger, 01.12.2019, Bern

Man kann es simpel sehen und sagen: In «Król Roger» bekennt sich ein Herrscher zu seiner Homosexualität. Nach 80 Minuten ist er befreit von dunklen Gedanken und dem grauen Anzug. Nun lächelt er selig ins Rund, jetzt kann er seinen Berater gelöst und innig küssen.

Das ist nicht alles. Karol Szymanowskis (1882–1937) 1926 uraufgeführte Oper greift mit ihrer so grossartig dichten und wuchtigen Musik tiefer.

Ein Hirte ist an allem schuld. Dieser taucht eines Tages auf, predigt und lächelt, als ob er täglich drei Joints rauchen würde, die Blumen beginnen, lüstern zu duften, seine Anhänger feiern alsbald die Liebe – auch mit regenbogenfarbenen Flaggen. Was soll der König dazu sagen, der diesen Hirten kurz zuvor noch auf Wunsch seines Volkes hinrichten lassen wollte?

Was ein Regisseur mit diesem Rattenfänger und dem verführten Herrscher alles anstellen könnte, will man sich gar nicht ausmalen. Auch die Ironie wäre ein Weg, um die Geschichte zu bewältigen. Regisseur Ludger Engels erzählt aber einfach, linear und bewegend – und dennoch mit grosser Geste. Der Hirte kommt aus den Zuschauerreihen, bald ist der Saal mit Spruchbändern beflaggt und voller Aktion. Selbst das Orchester wird ein Bühnen-Protagonist, strömen die Orchesterwogen doch, kühn geführt von Matthew Toogood, nicht aus dem Graben, sondern aus dem hinteren Bühnenbereich hervor. Die Botschaft ist klar: Hier ist jeder angesprochen. Mariusz Godlewski kann dem König Charakter geben, die Partie gesanglich prachtvoll gestalten. Andries Cloete ist mit hellem, akzentreichem Tenor als Hirte ein Gegenpol – ein Verführer mit Tönen.

Kurzum: Diese Schweizer Erstaufführung wird zu einem Triumph für Konzert Theater Bern.