Christian Berzins, NZZ am Sonntag (08.11.2019)
Eine gewaltige Bühne, vielerlei Regie-Ideen, Schnickschnack noch und noch, teils gute Sänger: Und doch kommt Händels Oratorium «Belshazzar» am Opernhaus Zürich nicht vom Fleck.
Georg Friedrich Händel hat nur 42 Opern geschrieben. Klar, ist dieses Repertoire irgendwann ausgeschöpft, dann muss ein Opernhaus beim nach wie vor anhaltenden Händel-Boom zu den Oratorien Zuflucht nehmen. Sprechbühnen dramatisieren bekanntlich auch lieber Romane, als für die Bühne gedachte Werke zu spielen. Ironie beiseite! Händels Vertonungen von geistlichen Handlungen, eben den Oratorien, haben trotz ihrer naturgegeben Epik - den kommentierenden Chören, den langatmigen, Zustände beschreibenden Arien - durchaus einen Hauch dramatischen Potenzials.
Gut kommt es, wenn ein sehr phantasievoller Regisseur es kunstvoll aus dem Stoff herauskitzeln kann. Sebastian Baumgarten zeigt sich in «Belshazzar» vor allem ein kluger Regisseur: Er verpackt die Geschichte der ungläubigen Babylonier, die die Juden erniedrigen, in einen TV-Krimi, der bisweilen in eine TV-Soap kippt. Es gibt witzige Elemente, es wird auch viel erklärt oder bilderreich ausgedeutet. Und da spaziert sogar für zehn Sekunden ein monumentaler, bühnenfüllender Säbelzahntiger durch Babylon. Aber trotz allem Geschiebe will keine Emotion entstehen, die Handlung implodiert, bleibt Erzählung.
Die Musik kann das nur teilweise wettmachen. Es ist kein Stimmfest, das Mauro Peter, Layla Claire und schon gar nicht Tuva Semmingsen veranstalten. Aber wenn Countertenor Jakub Józef Orliński physisch wie stimmlich Purzelbäume schlägt, wird der Abend spannend: Orliński gibt den Feldherr der Perser, die in diesem Wirrwarr von Glaube auch noch mithalten, den babylonischen Herrscher Belshazzar töten und die Juden befreien. Das von Laurence Cummings gut vorbereitete Orchestra la Scintilla trumpft mit einem üppig warmen Klang auf, der vom Chor schön weitergetragen wird.