Jenny Berg, srf.ch (03.02.2020)
In Zürich brilliert Cecilia Bartoli in «Iphigénie en Tauride»
Ein Weltstar im Zürcher Opernhaus: Cecilia Bartoli überzeugt als Iphigénie nicht nur mit ihrer wunderbaren Stimme.
Sie gehört zu den absoluten Topstars der Klassikszene: Cecilia Bartoli. Mehr als 12 Millionen Alben hat sie verkauft, Grammys gewonnen, sogar die Pop-Charts gestürmt.
Die Opernsängerin verfügt über ein unverwechselbares Timbre – doch hat ihre Stimme auch mit 53 Jahren noch ihren dunklen, warmen Glanz?
Ideal auf Bartoli zugeschnitten
Nicht immer hat Bartoli in den letzten Monaten überzeugt, klang etwa beim Lucerne Festival im letzten Herbst leiser, weniger durchdringend als ihre Ensemblekollegen.
Doch in Zürich weiss man um ihre Stimme – und hat deshalb ein Werk gewählt, das ideal auf sie zugeschnitten ist: «Iphigénie en Tauride» von Christoph Willibald Gluck.
In dieser Oper gibt es nur eine einzige Frauenrolle. Es ist die Hauptrolle, Iphigénie. So ist Cecilia Bartoli schon von der Anlage der Oper her unangefochten an der Spitze.
Mit Körpereinsatz
Die Geschichte stammt aus der antiken Mythologie, es geht um Mord und Todschlag. Die Protagonisten leben in Todesangst oder werden von grässlichen Albträumen gequält. Für solche intensiven Gefühle ist Cecilia Bartoli eine Idealbesetzung. Sie kann Emotionen nicht nur mit ihrer Stimme zeigen, sie drückt sie mit ihrer ganzen Körpersprache aus.
Das spürt man in der Inszenierung von Regisseur und Opernchef Andreas Homoki ab dem ersten Moment. Mit einer leeren, schwarzen Bühne eröffnet die Oper, darauf zwei Dutzend Frauen.
Bartoli sticht heraus
Ganz in schwarz irren sie stumm auf der Bühne herum, während das Orchester die Ouvertüre spielt. Doch eine sticht heraus: Cecilia Bartoli.
Obwohl sie aussieht wie alle anderen, sagt ihre Körpersprache viel mehr aus. Sie ist Priesterin, und ihr Amt verlangt, dass sie Menschen tötet, als Opfer für die Götter. Gerade wütet ein Ungewitter über dem nahen Meer – muss Iphigénie schon wieder Menschen morden, um die Götter zu besänftigen?
Die erste Arie gehört dann auch Iphigénie, sie singt vom Sturm in ihrem Herzen, ausgelöst von den Albträumen, die sie hat. Kein Wunder, soll sie doch ihren Bruder Orest den Göttern opfern.
Kernig und voller Substanz
Diesen Gefühlssturm drückt Komponist Gluck nicht ganz so dramatisch aus wie seine Kollegen aus der Barockzeit – seine Musik entwickelt sich schon hin in Richtung Klassik, bevorzugt schlanke Melodien und grosse Bögen.
Aber auch hier kann Cecilia Bartoli brillieren, ihren Sopran wunderschön entwickeln lassen – und, ihre Spezialität: selbst im Pianissimo noch kernig und voller Substanz klingen.
Dafür gab’s bei der Premiere viel Applaus und sogar weisse Rosen, die ein Fan auf die Bühne warf. Die Starsopranistin hat sie umgehend mit ihren Kollegen und dem Orchestergraben geteilt.