Die Kriegskarawane zieht weiter

Torbjörn Bergflödt, Aargauer Zeitung (04.04.2005)

Giulio Cesare in Egitto, 02.04.2005, Zürich

Oper: Händels «Giulio Cesare in Egitto» in Zürich ins Mark der Töne geführt.

Dirigent Marc Minkowski hat eine neue Händel-Opern-Darbietung am Opernhaus Zürich durchglüht und durchpulst. Viel Beifall an der Premiere.

Die Barockopernpflege glänzt am Zürcher Opernhaus. Und zwar nicht durch Abwesenheit. Als jüngster Streich reiht sich nun «Giulio Cesare in Egitto» in die Serie vor allem musikalisch gelungener einschlägiger Aufführungen der letzten Jahre. Dies in einem Haus, das zu lange von den Zinsen des legendären Monteverdi-Zyklus gelebt hat. Als musikalischer Leiter wirkt an dem, mit Pause gerechnet, gut vierstündigen Abend wiederum ein Spezialist des Faches. Es ist der Franzose Marc Minkowski, der die dreiaktige Opera seria von Georg Friedrich Händel mehrfach dirigiert und mit seinen Musiciens du Louvre auch auf CD aufgenommen hat.

«Giulio Cesare in Egitto» steht in einer eher galant ausgerichteten stofflichen Traditionslinie zwischen Cor-neille und Shaw, wobei die Welt von Kleopatras Ägypten-Sinnlichkeit verbunden wird mit den politischen Händeln um den Imperator Cäsar, Kleopatras Bruder Ptolemäus und dessen Feldherrn Achilla.

Der Musik Beine gemacht

Hinzu kommt der Handlungsstrang um Witwe und Sohn von Pompejus, die auf Rache sinnen, weil Cäsars ehemaliger Widersacher von den Ägyptern enthauptet worden ist. Wunderbar nun, wie an der Premiere in Zürich die Sängerinnen und Sänger den Radius der Empfindungen und Gedanken der Figuren abschritten, die Noten von innen her belebten, sich ins Mark der Töne begaben, um die vielen Schätze zu heben. Und wunderbar, wie Minkowski die Musik befeuerte, ihr Beine machte, so- dass sie, bei herauspräparierter Tanzmetrik, beinahe zu swingen begann.

Der Umstand, dass 1724 am Londoner Haymarket Theatre auch Kastraten mitgewirkt hatten, schafft eine gewisse Varietät in den Besetzungsmöglichkeiten. In Zürich sangen jetzt unter anderem drei Countertenöre, darunter der überaus gurgelflinke und, etwa in den ariosen Betrachtungen vor der Urne des Pompejus, auch bewegend affektstarke Franco Fagioli als Cäsar und Martin Oro als windig-wendiger Ptolemäus. Cecilia Bartoli spannte die Rolle der Kleopatra auf ins weiträumige Dreieck eines an Ausdruckstiefen reichen Lamento-Gesangs, einer koloraturengespickten Bravour und eines auch szenisch ausgespielten neckischen Witzes. Brava!

Katalog an stilisierten Zeichen

Hervorragend freilich auch die Cornelia von Charlotte Hellekant und Anna Bonitatibus als Sextus sowie, als Achilla, Alan Ewing mit seinem substanzstark strömenden «schwarzen» Bass. Die Spezialformation La Scintilla der Oper Zürich bot agiles Hochdruckmusizieren und horchte Händels Melos ab mit ganz wachen Ohren. Cesare Lievi (Inszenierung), Margherita Palli (Bühnenbild) und Marina Luxardo (Kostüme) haben der Musik nirgendwo wehgetan, und die Personenführung steckt die Positionen der handelnden Gestalten plausibel ab. Ausstattungsmässig wirkt das allerdings doch etwas zu sehr wie ein Katalog an herbeiassoziierten stilisierten Zeichen. Das Breitbandangebot umfasst unter anderem Pyramiden und Mosaike, Panzerwagen und Schiffsschrauben, einen monumentalen Totenschrein und gewellte Neonröhren (die zu einem Las Vegas hinübergrüssen mögen). Es gibt neben einem prägenden Pop-art-Element den Schattenrisseffekt und das farbdramaturgische Signal - auch bei den leicht bemühten Kostümen. Das Spektakelhafte einer Barockbühne kommt zum Zug. Am Schluss rundet sich die Inszenierung, indem, wie zu Beginn Panzerwagen rollen: Die Geschichte der Kriege ist mit dem Kapitel «Cäsar in Ägypten» noch nicht zu Ende geschrieben.