Kostümfest für Kleopatra

Sigfried Schibli, Basler Zeitung (04.04.2005)

Giulio Cesare in Egitto, 02.04.2005, Zürich

Händels «Giulio Cesare» am Opernhaus Zürich

Es ist Händels reichhaltigste Opernpartitur und eine der sängerisch anspruchsvollsten Barockopern überhaupt. Am Zürcher Opernhaus kommt «Giulio Cesare in Egitto» in einer Idealbesetzung zur Aufführung.

Am Ende kniete der Dirigent vor seinem Klangkörper nieder. Marc Minkowski konnte in der Tat mehr als zufrieden sein mit dem Orchester «La Scintilla» aus Musikerinnen und Musikern des Opernhaus-Orchesters, die sich für spezielle Zwecke in Barockspezialisten verwandeln. Man hörte ausnehmend musikalisch artikulierende Hörner, farbenreiche Holzbläser und vibratolos-kompakte Streicher. Wenngleich Minkowskis expressiver Dirigierstil nicht immer zu ganz homogenen Einsätzen führte, war das Ergebnis aus dem Zürcher Orchestergraben höchst beachtlich.

An Inspiration von der Bühne war denn auch kein Mangel. Mit Cecilia Bartoli als Kleopatra und dem erst 24-jährigen Countertenor Franco Fagioli in der Titelpartie verfügt die Zürcher Produktion über ein Traumpaar für die beiden Hauptpartien. Bartoli, im spätbarocken Repertoire mit seiner Betonung des Technisch-Virtuosen ganz in ihrem Element, legt atemberaubend saubere Koloraturen hin, zeigt sich sowohl virtuosen als auch innigen Arien gewachsen. Modellhaft vereinigt ist beides in ihrer Dacapo-Arie «Piangerò la sorte mia» im dritten Akt der über dreistündigen Oper. Bis zuletzt zeigt die Bartoli keine Ermüdungserscheinungen, sondern gestaltet ihren Part mit hoher Präsenz und Glaubwürdigkeit. Da lässt sich nicht einfach eine Starsängerin in eine Opernproduktion verpflanzen, sondern verkörpert eine grossartige Musikerin ihre Rolle mit jeder Faser ihrer Person.

ERHABEN. Der römische Feldherr Giulio Cesare könnte leicht neben ihr verblassen - doch der Countertenor Franco Fagioli sorgt für eine der angenehmen Überraschungen des Abends. Der junge Argentinier erweist sich nicht nur als glänzender Schauspieler, sondern gibt seine Riesenpartie mit einer Sicherheit und Musikalität, die ihn als ebenbürtigen Partner der grossen Cecilia erscheinen lassen. Das Schlussduett der beiden ist einer der Höhepunkte der Aufführung. Das ungleiche andere Paar, die Witwe Cornelia von Charlotte Hellekant und ihr Sohn Sesto der Mezzosopranistin Anna Bonitatibus, steht Bartoli und Fagioli kaum nach. Mit etwas stimmlicher Mühe kann sich daneben Martin Oro als Tolomeo behaupten, während Alan Ewing in der Basspartie des blutrünstigen Achilla kaum Wünsche offen lässt.

LÄPPISCH. «Giulio Cesare» gehört zu den Händel-Opern, die immer wieder für fantasievolle Regielösungen Anlass gaben. Noch nicht vergessen ist Herbert Wernickes poetische Basler Produktion; aber auch die bald dreissig Jahre zurückliegende Frankfurter Aufführung mit Horst Zankl am Regie- und Nikolaus Harnoncourt am Dirigentenpult behauptet ihren Platz in der Erinnerung des Händel-Freundes. Von ihr scheint der italienische Regisseur Cesare Lievi zumindest darin angeregt zu sein, dass er gern solistische Instrumente (Horn, Violine) als «handelnde Personen» auf der Bühne platziert.

Ansonsten hat Lievi mit seinem Ausstatterinnen-Team wenig Erhellendes zu dem Werk beigetragen. Die Römer werden als eitle Nobel-Militärs mit anachronistischen Schusswaffen gezeigt, während die amerikanisierten Ägypter durch knallbunte Kostüme lächerlich gemacht werden. Durch Spielzeugpanzer und Raketen wird dem Stoff eine harmlose Comic-Strip-Ästhetik übergestülpt, und dass Cecilia Bartoli in mindestens fünf verschiedenen Kostümen auftritt, ist eher ein Tribut an ihren Rang als Primadonna als ein szenisch überzeugendes Moment.