Unter einem gemeinsamen Stern

Torbjörn Bergflödt, Aargauer Zeitung (28.11.2006)

L'Étoile, 26.11.2006, Zürich

Operette «L'Etoile» von Chabrier in Zürich

Das leichte Fach ist nicht leicht zu machen. Am Zürcher Opernhaus zum Beispiel hat sich das schon bewahrheitet, als Jürgen Flimm seine einseitige Liebe zum Humor bei Jacques Offenbach kundtat. Der Engländer David Pountney, dessen Regiearbeiten manchmal zu überinszenatorischen Schärfungen neigen, schlägt sich selbenorts recht tapfer im Falle der Opéra bouffe «L’Étoile» von Emmanuel Chabrier. Dass der Abend kein rundum moussierendes Operettenver gnügen beschert, liegt auch an dem Werk, dessen gallischer Esprit sich manchmal doch etwas ausführlich äussert.

Das Libretto des 1877 in Paris uraufgeführten Dreiakters fügt sich zu einer märchenhaften Groteske mit Happy End. König Ouf will zum Gaudi des Volkes jemanden hinrichten lassen. Gerade bevor der wegen einer majestätsbeleidigenden Ohrfeige arretierte fliegende Händler Lazuli ins Jenseits befördert werden soll, meldet der Hofastrologe Siroco eine sternbedingt enge Schicksalskopplung: Ouf werde eine Stunde nach Lazuli sterben. Jetzt beginnt man postwendend, sich um das Wohl Lazulis zu kümmern. Aber bis dieser die auch vom König angebetete Prinzessin Laoula gewinnt, müssen Ouf und Siroco - der nach astrologischer Vorhersage gleich nach Ouf wird sterben müssen - im Duo Todesängste durchleiden. Eine ziemlich raffiniert gebaute Geschichte, die Chabrier musikalisch treffsicher und nuancenreich (bis in instrumentationstechnische Details) umgesetzt hat. Im Vergleich mit Offenbach herrscht weniger der Geist einer bissigen Zeitgeistkritik als der einer Fabulierlust.

Pountney und seine Ausstatter Johan Engels (Bühnenbild) und Marie-Jeanne Lecca (Kostüme) haben das vage in Richtung Orient und Nordafrika weisende Setting des Librettos inszenatorisch etwas konkretisiert hin auf eine übersteigert dem Konsum huldigende Stadt wie, möglicherweise, Dubai. Die Automarke mit dem Stern im Emblem, die die Produktion sponsert, findet sich in «Messewagen» repräsentiert, um, an und in denen sich langbeinige Models lasziv räkeln. Auf dem Laufband fahren überdimensionierte Stöckelschuhe herein. Kissen mit Raubkatzenfell-Muster stapeln sich auf der Bühne. Es gibt orientalisierende Ausstattungselemente wie Laternen im Palmendesign, Kopfschleier, Pumphosen, Schnabelschuhe oder Krummsäbel. Auch in Personenführung und Choreografie (Beate Vol lack) und Objekten wie etwa «Erlebnissärgen» für Ouf und Siroco lebt sich ein hübsch spintisierender Witz aus. Mehr denn eine dezente Konsumkritik wirkt das Ganze allerdings just als eine Anbiederung an den Geschmack der obersten Kaufkraftklasse.

Die Westschweizerin Marie-Claude Chappuis in der Hosenrolle des Lazuli liess an der Premiere einen fein modulierten Mezzosopran hören. Jean-Luc Viala als König Ouf und Jean-Philippe Lafont als Siroco füllten ihre Partien mit einer hübschen Vis comica. Schön timbriert war der Sopran von Anne-Catherine Gillet, die die Prinzessin Laoula gab. Den Chor hat Ernst Raffelsberger einstudiert. Unter John Eliot Gardiner, der schon vor über zwanzig Jahren eine Einspielung des Werkes besorgt hat, fährt das Haus orchester den mannigfachen melodischen, harmonischen und farblichen Biegungen der Partitur hellhörig nach.